akute zeiten


eine spurensuche als petitio principii

was alles ein netzteil braucht. bücher brauchen ein netzteil, zahnbürsten, spiegel, brillen... und das gehirn irgendwann
auch.

 
jene stete betriebsblindheit, sobald man eine tageszeitung aufschlägt. entweder ist man überfordert oder unterfordert.
also selten richtig gefordert.

 
wie man an einem verregneten sonntag die zeit totschlägt.
mein sohn spielt lego und ich konjugiere lego, legis, legit, legimus, legitis, legunt... vielleicht wird er es auch einmal
lernen müssen.

 
weiter denken, anderes denken und manchmal gar nichts.
bin ich damit erfolgreich, dann aus eigensinn.

 
bereits über dreitausend bücher in der eigenen bibliothek.
viele doppelt gelesen, wenige nicht und ansonsten etliche andere gedruckte seiten. nur um weniger selbst erleben zu müssen.

 
der lidschlag der augen als selbstgespräch.
man hat keine freunde mehr, man hat nur noch kontaktdaten, follower und aufmerksamkeits-bestätigungen.

 
statement einer fernsehprominenten: vor dem selbstmord hat mich allein der spiegel bewahrt.
die stars im show-business lassen sich zu keinen sternbildern imaginieren. es fehlt ihnen der kosmos als firmamentum.

 
ein eiternd grünblauer nachmittagshimmel im fensterkreuz
und eine hyperaktive sommerfliege davor. ich kann sie erst erwischen, wenn sie zur ruhe kommt.

 
als sei schweigen gar nicht mehr möglich, gar nicht mehr lebbar. nicht einmal als spiegelbildliches konterfei im bildschirm des abgeschalteten notebooks.

 
in Russland ehrt man wieder Helden der Arbeit. präsident Putin verteilt wie einst väterchen Stalin an sie orden und will erneut den fünfjahresplan einführen.

 
nichts geht verloren, es wiederholt sich das wiederholbare. und das perfide an der wiederholung ist, dass sie fortwährend eine neue wird.

 
die arbeitslosenquote sinkt kontinuierlich. es haben also stetig weniger leute zeit, in ruhe bücher zu lesen.

 
wird bloss noch gelesen, was man in zwei, drei kurzen sätzen sagen kann, dann muss man alles in zwei, drei kurzen sätzen aufschreiben.

 
bereits zum zweitenmal heute in der u-bahn ein verwahrloster mitmensch, der bettelt, so als wollte er schulden eintreiben.

 
die zahl der luxussanierten eigentumswohnung von jetleg-besitzern steigt in Berlin wie auch die zahl der obdachlosen. was für eine gefährliche stadt.

 
dass es vermehrt gescheiterte existenzen gibt, liegt wohl
daran, dass es kaum richtig erfolgreiche gibt. et vice versa.

 
viele zeitungen warnen jetzt vor zunehmenden burnout-erkrankungen. es gilt das sommerloch zu füllen.

 
das verschnaufen zwischen den stunden. mein gestundetes schnaufen für das bedürfnis nach stumpfsinn. als heimweh.

 
der graue abendhimmel voller tinnituswolken und darunter zahlreiche hütchenspieler mit stolzen verlierern.

 
immer öfter diese aussergewöhnliche realitäts-erfahrung: es
ist lediglich das wirklich, was nicht in ordnung ist, was nicht erwartungsgemäss funktioniert.