präzisionsvage


frank richter


meine sofort
auffindbarkeit
immer in echtzeit
nach dem aufwachen

mit einem frühen
baulärm als wecker
mahnt betriebsamkeit
rastlosigkeit droht

vom asphalt den press
lufthammer aufreisst
und bagger bald füllen
pekuniär viceversa

wo unentwegt eifer
komplimentär kreist
bleibt das sinnsuchen
ein mobile sich pertuum

wie beim Lenin jetzt
dem exhumierten monument
für ein neues posieren
in jerker ausstellung





mit überlebenslust
oder nur frust führt
in der stadt mancher
seine selbstgespräche

auf dem land zerstreut
sehen sie wortlos hade
alte serien gestreamt
als ihre unterhaltung

in strahlenden welten
kennen sie die rolle
von einst alljedem

obwohl menschen hier
täglich verschwinden
vage namen nicht
mehr genannt werden




noch am mittag
neugierig ohne
zu wissen auf was

die immersion loser
wolken ist unverbunden
sehr unverbindlich

auf das fensterglas
gedanken werden
aleatorisch gehaucht

inmitten von büchern
mein nebulösem brüten
in ein weites defäkiert

während die familie
dem fantasieren droht
mit einem liebesentzug




auf urbanem pflaster
werden hunde rassiger
mit einem leinenzwang
die halter beim gassi
gehen unscheinbarer

der adel ist hier und
daselbst nirgendwo da
wie die Queen gestern
in Berlin en passant
bei ihrem staatsbesuch

als kreisende audienz
in der menge war sie
schwerlich zu erspähen
als zeitzeuge habe ich
sie rundweg übersehen

erst in der zeitung
winkte unübersehbar
jedem sie aus fotos
mit unscharfer gnade




reisen im verpixeln
unter lauter fremden
surfen im white noise

ein account verlangt
als passwort variabel
dekryptisches dafür

mit bizarrer codierung
so anonymisieren sich
bekenntnisse indiskreter

meineidiges meinen
pulsiert als ballspiel
mögliches verdenklich

während zinsen sinken
und ölpreise im krieg
der demagogen steigen




harmonisch verstimmt
die schrillen sirenen
im täglichen verkehr

in gleichheit vereint
das vage gefühlt
mit risiken zu leben

unter einzeltätern
mit eigensinn die angst
ein amokläufer sein

beim leben auf zins
in temporär aparten
zellen zur staffelmiete

bedroht von exzessen
bei steigenden wohn
nebbich wasserkosten

man riecht es bereits
während der stosszeiten
in pendelnden u-bahnen




das ohr gegen
den herbst halten
mit geistesblitzen
beim schnappatmen

als überhang
für ein später
mein zuarbeiten
dem zettelkasten

da aktuell hämmert
wider die wände
ein handwerker

ein handwerker
darf behände
das im haus




ich schwitze
mein bier aus
ergo bin ich

ohne klimaanlage
katzenmüde ermattet
ein lauer schatten

mein schweiss bloss
sich und nichts anderes
flüssig transpiriert

ja selbst hitzig
das zu sagende
keinen kreislauf peppt

allons en route
der puls stagniert
ins innerte daneben




die zähne werden
akribisch geputzt
seit über 50 jahren
sie haben noch biss

ohne haltbaren glanz
haben sie was zu sagen
sind kein künstliches
dahin sich vergilben

mit originärem belag
auch die alten fotos
abgelebte jahresläufe
in zig alben anhäufen

mit patina und pathos
sortiert sich zeitloses
als chronisches zeugnis

um nur zu belegen
dass zu wenig bleibt
wie es gewesen wäre




im hochgefühl
der erschöpfung
endlich zufrieden
ohne überhangsätze

im schweigen
bin ich ehrlich
keine diskursmacht
ergo entbehrlich

derweil im milieu
bekannte Vau-leute
straflos den Hitler
gruss strecken

ipso der nacht
wenn keiner sieht
meine grübeleien
mein schweigen


∼ ∼ ∼ ∼




die augen ablaufend
den bürgersteig runter
im rausch von stimmen

verschwörende theorien
von irgendwem gebrüllt
vernehmlich psychotisch

eine entleerte drohung
den passanten geradezu
schreckend weltuntergang

mithin steuern sinken
dank einer deflation
sichs billiger lebt





meine verabredung
mit der kunst sie wird
täglich von der familie
als termin akzeptiert

ein fremdgehen ist sie
wo im rück wie vorderzug
sinistres mit ausfällen
orgasmen verspricht

bei jenem stelldichein
selbst mich befriedigend
ohne monetären wert
bleibe ich ein suchender

meine affären erzielen
einen dürftigen sex
der zu herzend kommt





im engen hinterhof
verteidigen finken
auf welkem rotdorn
lauthals ihr revier

mit uut uup uus uuo
schaffen sie schrill
eine siebente reihe
periodisch als system

was dabei grübelnd
ich mir anagrammiere
findet weder eine ruh
noch eruierenden sinn

inferiore alchemie
reimt perspektivlos
als ordiores chaos
mich ohne kernfusion






die unheimlichkeit
an seinem geburtstag
von einem algorithmus
gereimtes zu bekommen

sintemal die partys
längst vorbei sind
ein elegischer kater
kaum anschluss garantiert

das notebook rattert
sich hybris suchend
beim reste verlinken
mit überfülltem ram

frei von arbeit bleiben
die anfänge chronisch
ein erwerbsloses suchen
austariert aufs ebenda

ohne karrieresprünge
bin ich dazu verdammt
immer jung zu werden





modeschauen mit oder
ohne promis ersetzen
den karneval in Berlin

was gesponserte exoten
auf laufstegen zeigen
ist urbanes parieren

von kameras erfasst
in absence eines arten
so erwartensterbens

eine Fashion week
für allerlei was
you can eat it





an lauen abenden
meine klein üppigen
manselbst gespräche

einfallende einfälle
relativ vs. absolut
der zeitgeschichte

die pfeife verstopft
selten leergebrannt
ein ausharren ist

kratzende intensität
den ideenfluss blockt
bis zum morgengraun

auf dass ich wach
den müden sohn dann
zur schule bringe





man steht sich
im wege und ist
harmlos gestimmt
beim jahreswechseln

so volltönend sich
ein sylvester feiert
dem brandenburger Tor
in endzeitstimmung

mit fröhlichen prosts
von kumpanen den stets
gleich sic zufallenden
der allerletzten party

die vorsätze einander
gesäuselt anzustossen
als visionäre fluchten
beim scheiden heiser

allweil für ein später
auf dass alles stimmt
auch wenn es verstimmt





im fernsehen gibts
keine wetten mehr
nur talks als show

das publikum will
nicht weiter im chor
juvenalisch zocken

sich beim nörgeln
gemein unterhaltend
richtig liegend fühlen

im abgeklärten
milieu verbleiben
innig dunst kreisend

wie alte klaviere
in bars ein verstimmt
unverrückbares faktum





ein dröger tag
mit kopfschmerzen
ist keine ausrede

gelangweilt werden
die zerlesenen bücher
nochmal durchgelesen

der kopf verzichtet
auf weitwurfgedanken
grübelt im leerlauf

bei unhaltbarer angst
vor dem lächerlichen
allzu lächerlichen

die furcht irgendwer
könnte mit fingern
auf mich zeigen

irgendwer könnte
mich verstehen





zwei schritte vor
und drei zurück
ohne mehrwert
ist jeder zweite
bald ein roboter

oder objektschützer
prekär in dem Alten
Museum aufgestellt
vor einem gestade
des meeres gemalt

im teilhabezwang
sinken lebensjahre
in gerahmter firnis
vor jedem abschied
malig höher hinab

ich nehme es wahr
als eine warnung
als ein mönch
mein wähnen ist
eine ausgangsnot





atemlos auf strassen
von hinten genommen
ist der agile radler
steter mobilmachung
geraunzt ein idiot

bei exponierten auto
risierungen mutieren
im ampelchaos sprints
zum schattensprung

mit gespannter hals
schlaglinie evoziert
ein stelzenwerk sich
zu einem organspender

obwohl man zu alt ist
auf pedalen potentiell
um mit über 50 nochmal
auf die welt zu kommen





das innige aussitzen
mit kaffee oder ohne
quickies efant perdu

als ein unzufriedener
typewriter in steter
wort-zu-wort-beatmung

nie zu ende gewartet
zu früh jäh gestartet
mit metrischem stolz

unpopulär geblieben
gegenüber lautem Pop
mit fördernden preisen

aus der nachbarschaft
schallt er unüberhörbar
aus fenstern mit beifall

dagegen hilft Wagner
nur gut verstöpselt
in den ohrmuscheln





mandarinen und nüsse
einen advent kränzen

im kerzenden schein
wirds schnell dunkel

hörts früher auf hell
ein subsidium zu sein

die schneefallgrenze
sinkt auf 700 meter

bar jeglicher vision
ein vakanter abfall

was itzo sich denkt
ist umso bedürftiger

eine vorzeitstimmung
mit fälligkeitsdatum


∼ ∼ ∼ ∼




die tägliche runde
ohne eine hundleine
als hund manselbst

dem künftigem nach
hinkend allzu träge
fürs neue updaten

was brühte ich aus
imperfekt kreisend
im standby-modus

während der rubel
die krim annektiert
und allversteher
sich überschlagen

bei weltweit bereits
120 exabyte datenmüll
ist wissen abrufbereit





boeings im fenster
geviert aufziehend
unisono dem dröhnen
der wäscheschleuder

eine maschine aus
der nachbarschaft
oder die maschine
in einem selbst

verbindlich gemeine
mobilität schon früh
ein überleben eicht
das frühstück forciert

derweil lockführer
streiken und häuser
makler es gegen miet
preisbremsen androhen

hoffentlich geht das
endlich weiter und
hört irgendwann auf





jede nacht im bett
dasselbe verrauschen
heisser erinnerungen
bar von einem traum

fürs entsagen gibts
als eine auflösung
auf rezept gestellt
keine pille danach

kein trostpflaster
bei intimer fehlung
gegen das bedauern
verpasster chancen

fühlt man nicht
einfach fühlt man
probleme ernsthaft
doppelt und dreifach

wer seine biographie
reimt muss aufpassen
darf nicht zu früh
im präsens stranden





es redet auf partys
mit späten paarungen
sich jovialer vorbei

zu nette komplimente
sind smarter gleichmut
mit langen vorspielen

narzisstische beichten
verdaten talkende singles
therapeutisch korrekt

wo sprache im speichel
sich auflöst und
chapeaus verpeilt

so nichts fehlt
als ein fehlen
fehlts fehlen





geraucht wird seltener
im abendlichen fernsehen
dafür brutaler gefoltert
und härter gelacht

unübersehbar sorgen
zum lauen einschlafen
aufgeschminkte sadisten
für perfide zerstreuung

ein simulierter kitzel
stimuliert den kitzel
in einer fantasy-welt
ohne zeitwind im kopf

so als ob das spannern
zwischen nachrichten
allweil harmlos bleibt




itso den Stifter
mal wieder lesen
ganz im heimeligen

mal denken: ach!
ungeteilter himmel
die ewige heimat

wenn sich die stadt
ausatmet im dunkeln
der grünen anlagen

wo dealer den stoff
teilen miteinander
durch sich selbst

der brodem stimmt
diese mitternacht
ein abort gräbt





beim schachspielen
gegen den computer
bin als egoshooter
ich ein verlierer

seitdem ein roboter
die aufnahmeprüfung
in einer uni bestand
denkt sichs künstlicher

die ansprüche werden
algorithmisch rundum
berechnet anspielbar
mehrte mobilmachung

während banken für
saldos zinsen zahlen
einer verqueren zeit
schulden relativieren

keiner kann es prüfen
entleerungen aufhalten
bloss mit seinen ohren
wackeln falls ers kann





ein himmel aus
verbrauchten bildern

novembermaienmärz
was soll das wieder
für ein wetter werden?

der blick ist intakt
offene anspielprosa
weitschweifigkeit

heute lieber tee
und kein lesen
im kaffeesatz

das geht so
in ordnung
genau





rosarot talkend
dem späten abend
divers gestimmt

in einem puff
gestrandet fürda
sich schäumend

als ein spiegelbild
in dem ozeane
merklich steigen

im sprachrausch
auflösbar scheint
was offenbar ist

aparte gespräche
sind apologien
kein armageddon


© frank richter 2015-2017