petting des ich


(ein investigativer rückblick)

"Der Mensch ist im wörtlichsten Sinne ein zoon politikon, nicht nur ein geselliges Tier, sondern auch ein Tier, das nur in der Gesellschaft sich vereinzeln kann."

Marx, Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie


er trägt einen Allerweltsnamen und ist damit leicht verwechselbar. das hat ihn vor unangenehmen Situationen und vor dem Drang, etwas Besonderes zu sein, geschützt, aber anonym bleiben lassen. wer ihn nicht kennt, der kennt ihn nicht oder hält ihn für einen anderen. seit seiner Kindheit wird er verkannt und selten angemessen angesprochen. bereits in seiner Schulklasse gab es gleich dreimal seinen Vornamen, was Lehrer, die rigide Mitarbeitsnoten vergaben, unentwegt verwirrte.
seine Eltern haben mit seiner Bezeichnung wenig Phantasie bewiesen. heute heissen Kinder anders. sie tragen selten gewöhnliche oder allzu bekannte Namen. nicht nur Prominente sehen es als ihre Pflicht an, für ihren Nachwuchs erfinderisch zu sein, Mütter und Väter aus allen Mileus entwickeln eine erstaunliche Kreativität beim Signifizieren. Namen haben nomen est omen Originelles vorzustellen, sie müssen Aussergewöhnliches versprechen. wo allerdings die Phantasie begrenzt ist und das Aussergewöhnliche zum Normalen aus der Fernsehwelt wird, kann auch jemand mit einer exotisch klingenden Benennung Schaden nehmen. es werden Vorurteile bedient, wo Pädagogen dazu neigen, mit Vornamen Vorurteile zu verbinden. die Kevins, Schantals und Leons haben es dann schwer, da sie als verhaltensauffällig sowie lernschwach gelten. während eine Marie, die Nele oder der Finn wahrscheinlich als leistungsstarke Nichtstörer kategorisiert werden. dies belegen wissenschaftliche Untersuchungen und für einige Kinder die eigenen Erfahrungen.
es ist nicht einfach, sich im neuzeitlichen Anreden zurechtzufinden, seitdem sogar Möbel als persönliche Note einen Namen bekommen. ein ihm seit Jahren treu dienender Drehstuhl von Ikea will zum Beispiel mit Steffano angesprochen werden. jedes neue Produkt der Konsumwelt erheischt für die Distinktion eine ungewöhnlich sympathisch klingende Benamung. wird es von den Designern ignoriert oder zu lax angegangen, löst die Werbung keine richtigen Emotionen aus und erzeugt schlimmstenfalls Aversionen. aus Gründen des Copyrights darf es nichts Originelles sein, was schon anderweitig vergeben ist. etliche Menschen können ein solches Recht nicht für sich in Anspruch nehmen. sie müssen einen Allerweltsnamen tragen und ihn ein Leben mit Gleichmut ertragen. angebrachter wäre es wohl, wieder temporäre Spitznamen zu vergeben. die Phantasie schafft sich diesbezüglich passgenaue Differenzierungen, so dass selbst bei geburtenstarken Jahrgängen jeder eine originäre Bezeichnung bekäme.