petting des ich


(ein investigativer rückblick)

ein Nachbar hört wieder Techno und man leidet. ein unüberhörbares Dumm-Dumm lässt die Trommelfelle vibrieren und einen Kopfschmerz an den Schläfen pulsieren. es gab einmal eine Lebensspanne, in der man solche Beats auch am Computer collagiert hatte. das repetitive Rhythmisieren in geraden Achteln war einst ein kleiner Protest gegen eine saturierte Alltagskultur und konnte ohne Noten selbst von einem unmusikalischen Menschen arrangiert werden. beim Programmieren mit Zufallsgeneratoren generierte sich zuweilen Erstaunliches, es mussten nur die Parameter beim Equalizing oder der Rhythmus in ungewöhnliche Höhen gefahren werden. die mit einer Software geschriebene Maschinenmusik war eine Wette auf eine unerwartete, eine überraschende Innovation, die ad hoc ohne erkennbaren Grund einem einfach zufällt.
der technologische Fortschritt will und kann eine solche Ungewissheit nicht lange dulden. um seine Apparate und kommunizierenden Röhren effizient zu befeuern, unterbindet er Abweichungen vom Standardisierten und erlaubt einzig redundante Rückkopplungen, welche alles Abweichende kompensieren. das trifft item auf die Technobewegung zu. eine Freiheit der Kontingenz konnte hier als Rebellion nie eingelöst, allein in den verrückten Anfangsjahren für eine Weile in alten Fabrikhallen und Kellern behauptet werden. heute generiert ein genormtes Sampling profane Klangmuster für DJ's, um das vergnügungssüchtige Tanzpublikum zu beeindrucken. es haben sich monotone Rhythmen für eine Erlebnis-Gesellschaft etabliert und als Training für den hypermodernen Leistungsdruck angedient. aus einem intervenierenden Experimentieren wurde eine stimulierende Zerstreuung für Gewohnheitsmenschen. haben sie die richtigen Pillen bekommen, können sie stundenlang wie Roboter im Takt schwirren und müssen niemandem in die Augen gucken.
wer keine Drogen nimmt, ist von einem permanent anpeitschende Stakkato-Sound schnell genervt. besonders wenn ein Nachbar eben solche Musik derart laut hört, dass sie auch hinter dicken Wänden mitzuhören ist. man schimpft ihn dann einen Kulturbarbaren, wobei dieser ansonsten nette Mensch wohl eher ein Troglodyt ist, der sich zum Feierabend in seiner Single-Höhle selbstbefriedigend austobt. als fleissiger Angestellter versucht er sich in der Freizeit mit Musik abzuschirmen. es gelingt schnell bei einem elektronischen Bass, mit dem er wie die drei Affen Mizaru, Kikazaru und Iwazaru mal nichts sehen, nichts verstehen und nichts sagen muss. allerdings nicht aus Gründen der Kontemplation, wie es Konfuzius seinen Schüler seinerzeit empfahl, sondern um das Gefühl einer Leere abzutöten. wird das Dröhnen endlich ausgeschaltet, stellt ein poetisches Ich in der plötzlich einsetzenden Stille meist fest, dass überhaupt nicht mehr an Schreibarbeit zu denken ist.