petting des ich
der erste und letzte Tabak eines Tages schmeckt nicht mehr, wenn man zu viel
raucht. auch darf es, da seit Jahren derselben Verschnitt in die
Pfeife gestopft wird, kein anderer sein, ansonsten rebellieren die
Sinneszellen sofort. beim Wein ist hingegen ein einfach solider zu wählen. wird einmal
eine gute Rebe getrunken, ist die üblich preiswerte danach nicht mehr bekömmlich.
sie kratzt nun gewaltig. der Geniesser sollte bei seiner Qualität bleiben,
muss freilich die Marken gelegentlich wechseln, sonst empfindet er
immer weniger und wird ein Opfer seiner Gewohnheiten. es fällt schwer,
Weinliebhaber ernst zu nehmen, die ihren Gusto als Distinktion ausgeben. Alkohol betäubt
die Sinne schleichend. dagegen kommt auf die Dauer keine teure Marke an.
man schmeckt nur, was man zu kennen meint, und wird leicht
quia non est veritas in vino von seiner Einbildung und den Katalogen der
Händler betrogen.
dies gilt ebenso für Vernissagen, wo ein profaner Wein nicht aus
Flaschen, sondern zuvor abgefüllt in Gläsern bereitsteht. das förmlich
Rituelle manipuliert Empfindungen, so dass der gefühlte Geschmack ohne ein
genaues Hingucken und Vergleichen einfach munden muss. wo das Zeigen von Bildern wie
in einer Marketingshow zelebriert wird, exponiert sich der Künstlername gleich einem
Spitzenwein zum Markenzeichen. nicht wegen seiner Intentionen oder eines Talentes wird
ein ausgestellter Maler bewundert, sondern bezüglich der Popularität, die er
durch Präsenz und Rezension gemeinhin erlangt. ausgeklügelte
Berechnungen bestimmen seinen Stellenwert, mithin sie die mediale Aufmerksamkeit
messen.
wer dem gerecht werden will, muss unaufhörlich produzieren und, um die Signifikanz seiner
Arbeiten zu behaupten, in aller Regelmässigkeit sich in einer Galerie
oder noch besser in einem Kunstmuseum vorzeigen. auf die Dauer wird nur solches in der breiten
Öffentlichkeit nachwirken, was sich dort durchgesetzt hat und
als Variation wiedererkannt wird. selbst wenn keine überzeugenden
Ergebnisse vorzuweisen sind, bekommt es als Gerahmtes oder Gesockeltes garantiert eine
Bewunderung.
er hat sich bei kollektiven Kunstbetrachtungen selten wohl gefühlt
und besucht Ausstellungen lieber an stillen Tagen ohne gereichten Wein, meist nach der
Vernissage als einsamer Gast. so kann er in Ruhe ungestört Inspirierendes
auskosten. die eigenen Arbeiten werden mit der Post zu Gruppenausstellungen verschickt
und der Eröffnungstermin verschlafen oder krankgefeiert. mit solchen Anmassungen
entgeht er langweilenden Interpretationen und übernetten Lobern, gleichwohl
nachhaltigen Galerie-Beziehungen. seitdem sich der Kunstmarkt trotz
wachsendem Köchelverzeichnis ohnehin nicht mehr für sein diffizieles Ouevre
interessiert, muss er sich für ihn ebenso wenig interessieren. diese
gegenseitige Ignoranz garantiert eine ingeniöse Gelassenheit zur stetig weiteren Ideenfindung.