scheitern(hoch)x


gedanken aus der hocke

was meint man, wenn man sagt: in jedem scheitern steckt
auch eine chance?
 

nachts um halb drei kann nur noch zwischen katastrophen-schleifen, callcentersex oder last-minute-paradiesen gewählt werden. bin ich erschöpft vom lesen, zappe ich mich durch sämtliche fernsehkanäle und verpixele mir stur die nacht.
 

wo niederlagen folgenlos bleiben und erfolge wenig bewirken, sehnt man sich danach zu verkommen, einem leeren lebens-lauf als versager zu entkommen.
 

immer öfter Ja sagen und die arme verschränken. jeder hat
als aussenseiter die chance, chancen nicht zu nutzen.
 

der hang zum detail, der blick nach dem stolperstein. wer mit einem trainierten standbein zur harmlosigkeit verdammt ist, will nicht harmlos sein. er sucht nach verborgenen problemen, er denkt sich sein tragik gross.
 

Henri Michaux: wem das scheitern zu einer notwendigkeit wird, der muss unaufhörlich gründe für seine niederlagen finden, der kann nicht direktemang scheitern. er braucht für sein scheitern eine Titanic.
 

eigentlich ist es egal, welche gründe ich für meine misserfolge beanspruche. jede rechtfertigung ist selbstgerecht, auf dass man sich ihrer bald zu schämen beginne. das bekenntnis, ein schattenspringer zu sein, wäre ein aufrechtes geständnis. man kann nur wider besseren wissens über den eigenen schatten springen.
 

schlaflos durch menschenleere strassen sich gehenlassen, so lange bis man ganz in sich hineinpasst, in eine verwahrlosung mit distanzgewinn, als eine distinktion.
 

machtausübung durch gebeichtete niederlagen: die meisten fehlschläge bekommen die grösste aufmerksamkeit. im tv-programm zeigen sie nach "star-search" nun eine SCHEITER-SCHAU. wer seinen ehrgeiz aufgegeben hat, darf sich etwas darauf einbilden. er kann hier seine eitelkeit spreizen.
 

stets das letzte wort behalten: mal ein selbstloser narziss und ein anderes mal ein altruistischer egoist sein.
woran lässt sich radikalität messen? an vermessenheit? oder am folgenden gelächter?
 

overfailed: ich könnte stolz auf meine misserfolge sein, und ich kann es nicht, ohne meinen stolz zu verletzen. entweder erliege ich einem pflichtgefühl oder ich werde vornehm.
 

das geläufige ritual von politikerduellen im jahr der schicksals-wahl: in jeder provokation steckt noch ein zuviel an um- und vorsicht.
 

das scheitern des Prometheus: der felsen im Kaukasus ist erodiert, der adler gezähmt und die leber wächst und wächst...
 

"lasst uns mit dem wollen beginnen! lasst uns alles durch-wollen! ein Ich-kann-nicht ohne alle erprobten Ich-will ist erbärmliche schwäche und endet natürlich mit: Ich kann."
Marina Zwetajewa
 

das erste gedicht und der erste peinliche koitus, ich bin sicher, es gibt sie nicht noch einmal.
kein poet kann ein beschämendes unvermögen dauerhaft ertragen.
 

tagelang ruhen und ausharren, bis daraus eine beschäftigung wird, die man eine besonne nennen darf. im fortgeschrittenen alter werden ansprüche deutlicher und ungenauer. deutlich in ihrer ungenauigkeit.
 

wie sehr kann man an einem sonnigen sonntag willentlich herunterkommen und wie sehr dabei verwahrlosen? sobald jemand wie ein loser leben kann, ist er wohl keiner mehr.
 

alles kann schiefgehen, auch das schiefgehen.
MAN DARF POSTUM ÜBER MISSLUNGENE KATASTROPHEN ENTTÄUSCHT SEIN.