scheitern(hoch)x
gedanken aus der hocke
soll ich, oder soll ich noch nicht aufstehen?
eine unentschlossenheit, die sich nicht zerstreuen lässt, ist ein flugzeug, das nie landen wird.
falls man nicht schon am morgen glaubt, man sei erfolgreich, was ist man dann den ganzen tag lang?
man ist sich seines erfolgswahnes kaum bewusst, weil man seit der geburt und wahrscheinlich schon im mutterleib unter ihm leidet.
machtausübung durch gebeichtete niederlagen: die meisten fehlschläge bekommen die grösste aufmerksamkeit. im tv-programm zeigen sie nach "star-search" nun eine SCHEITER-SCHAU. wer seinen ehrgeiz aufgegeben hat, darf sich etwas darauf einbilden. er kann dort seine eitelkeit spreizen.
immer öfter Ja zu allem sagen und die arme verschränken.
wo niederlagen folgenlos bleiben und erfolge wenig bewirken, sehnt man sich danach zu verkommen.
stets das letzte wort behalten: mal ein selbstloser narziss und ein anderes mal ein altruistischer egoist sein.
woran lässt sich radikalität messen? an vermessenheit? oder am folgenden gelächter?
selbst wer nichts zustande bringt, sich nicht verwirklichen kann oder will, muss sich bis zur völligen verausgabung erschöpfen. der verlierer ist eine parodie des helden.
eigentlich ist es egal, mit welchen gründen misserfolge verteidigt werden. jede rechtfertigung ist selbstgerecht, so dass man sich ihrer bald zu schämen beginnt. erst das bekenntnis, ein schattenspringer zu sein, wäre ein tragfähiges geständnis. man kann nur wider besseren wissens über den eigenen schatten springen.
Bernardo Soares: ich leide nicht unter enttäuschungen, ich erleide sie. bin ich nicht enttäuscht, dann leide ich darunter, dass ich nicht leide.
da durchlittene krisen zu den wichtigen erfahrungen im lauf des lebens werden, ist es enttäuschender, manchmal nicht enttäuscht zu werden, jedenfalls in der werbung.
soweit es möglich ist, aufwühlende horror- und actionfilme meiden. unwesentlich ist, was nicht völlig verstört.
oder um sich jeder vereinnahmung zu entziehen, das ideal einer kunst behaupten, die zu nichts brauchbar ist und niemandem nützt. eine artistik des NICHTkönnens anstreben.
"was man verengen will, muss erweitert werden. was man schwächen will, muss gestärkt werden..." wenn ich aus einer unruhe heraus auf das Daudedsching von Laudse stosse, finde ich zu einer angenehmen gelassenheit. doch wenn ich bereits mit einem gefühl der gelassenheit es zu lesen beginne, verliere ich sie bald wieder.
die grosszügigkeit eines personengedächtnisses: man glaubt, mehr über die verlierer als über die gewinner zu wissen, weil man das stärker wahrnimmt und länger in erinnerung behält, was einem fremd ist.
der hinterhof ist entzündet von amselgeschrei und ich leide mit restalkohol im blut lieber an bauchschmerzen als an kopf-schmerzen. wer es schafft, indispositionen gegeneinander auszuspielen, kann sie vielleicht besser ertragen.
die blinden flecken einer anamnese, die dauern oder übermalt werden. man weiss, dass man sich etwas vormacht, dass man sich selbst betrügt. und man weiss es immer zu spät.
der anspruch auf authentizität: haben sich irgendwann alle trugbilder aufgebraucht, liegen in einem vakuum die nerven blank.
warten und warten. durch den tag, durch die bestirnte nacht.
intergalaktische explosionen sind nur als lichtjahre entfernte vergangenheiten wahrnehmbar. ein grosses inferno ist ein posthumes ereignis.
Borges: das sich selbst erkennende denken muss mit allem einverstanden sein. ohne wenn und aber.
nicht gegen, sondern für windmühlen kämpfen.
also kein Don Quixote im täglichen überlebenslauf sein.
sich von allen hirngespinsten lösen, sich über jede sinnsuche erheben, um von keiner enttäuschung eingeholt zu werden.
und doch wird man bald jede abgeklärtheit, jede seelenruhe
als eine provokation empfinden.
je älter ich werde, desto mehr misstraue ich bekenntnissen in tagebuch-monologen. die sprache ist der feind authentischer lebenserfahrungen. wurden für eine erlittene tragöde die richtige worte gefunden, ist es bereits weniger tragisch.
"jede krise ist ein geschenk des schicksals an den schaffenden menschen."
Stefan Zweig
niemand weiss vor dem einschlafen, ob er in seinem tageswerk erfolgreich war oder umsonst sich verausgabt hat. in einer zeit der ökonomischen perfektion schreitet jeder voran.
wieder endet ein jahr der geldknappheit und des standhaltens.
es ist das problem von existenziellen problemen, DASS SIE ZU ERTRÄGLICH SIND.