petting des ich


(ein investigativer rückblick)

in Fremdsprachen ist er nicht zuhause, nur ein leidlicher Gast. er vermag einzig in seiner Muttersprache mit einem saloppen Wortschatz phantasievoll denken. das würde ihm nie in einer fremden Diktion gelingen. sein Gedächtnis ist für das auswendige Lernen von Vokabeln und unregelmässige Konjugationen zu träge. folglich war ihm in der Schule das seit der fünften Klasse obligatorische Russischfach ein Gräuel. im fakultativ angeeigneten Englisch und nach der Schule Französisch sowie Spanisch kommt er sich wie ein Betrüger vor, wenn mit einer begrenzter Lexik selten das kommuniziert wird, was tatsächlich gemeint ist. mit stereotypen Phrasen mutiert er zu einem miserabler Schauspieler, der um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, selbst Nötiges verkürzt preisgibt.
mehr als eine Sprache unvergleichbar sprechen zu können, ist eine schiere Übertreibung, ein überflüssiger Luxus, wie ein drittes Bein oder ein elfter Finger. er habe solches nie für wesentlich befunden, als ein Fremder unter fremdsprachigen Menschen geniesst er es, schweigend zu verweilen. nebbich muss er nichts verstehen und keine langweiligen Konversationen ertragen, wo allerhand daher geredet wird, um kein peinliches Schweigen aufkommen zu lassen. der Mensch ist ohnehin ein schlechter Zuhörer. er kann zwar bis zu 200 Worte in der Minute artikulieren, aber höchstens 40 verstehen. eine solche kommunikative Diskrepanz garantiert ein hermeneutisch tastendes Interpretieren. bleibt Gemeintes im allgemeinen Redeschwall überhört oder unverstanden, kann es bei jeder Gelegenheit repetiert und fortwährend fehl- oder überinterpretiert werden.
um eklatante Missverständnisse in Statements zu vermeiden, liegen bereits lange Listen von Unwörtern vor, die jährlich in Kommissionen erweitert werden. ihnen sind der Gutmensch, der Sozialtourismus, der Integrationsverweigerer, die Herdprämie und weiteres Zweideutige als nicht geziemlich zum Opfer gefallen. in der Regel tragen populistisch sich gebärende Prominente die Schuld an solchen Sprachvernichtungen. sie wollen volkstümlich argumentieren und bieten ihren Gegnern eine Steilvorlage für Missbilligungen, die primär stilistisch verkleidete Moralkritiken sind. danach traut sich kaum jemand, das öffentlich Indizierte anderweitig zu verwenden. bekannte Kinderbücher und Märchen werden umgeschrieben, so dass jetzt in Mark Twains "Huckleberry Finn" das Wort Neger niemanden mehr diskriminiert. die Literatur wird ärmer und benötigt eine Lexik aus fremden Sprachen. gewohntermassen ist es das Englische der internationalen Werbung und Popmusik, das wohlfeil Ersatz anbietet. in absehbarer Zeit werden wir wohl alle denglisch radebrechen. für manches nationale Sprachgut sind bereits ergänzende Erklärungen vonnöten.