akute zeiten
eine spurensuche als petitio principii
diese hybris: wer zu früh aufsteht, darf nicht zaudern. als der frühe wurm muss er seinen vogel finden.
es gibt immer mehr niedergelassene therapeuten. das leben in einer wohlstandsgesellschaft ist schwer zu bewältigen.
klug ist es, kühn zu behaupten: ich bin ein loser, dieweil andere in falscher bescheidenheit lieber das gegenteil sein wollen.
ein schlauer mensch lässt sich gern bedauern.
viele sinfonien werden im radio gnadenlos durch die volluhr-nachrichten ausgeblendet. solche unterbrechungen waren in meiner kindheit einzig bei schweren katastrophen üblich.
im fernsehen während der werbung exorbitant paradiesische zustände
und ansonsten ausschliesslich umweltkatastrophen, technische havarien, untergangsstimmungen...
überall nimmt die vermeldete gewalt zu, doch die statistiken belegen anderes. im 14. jahrhundert wurden weltweit 80mal mehr menschen getötet als in unserer zeit.
russisches geschichtsverständnis: Wolgograd soll sechs tage im jahr wieder offiziell Stalingrad heissen.
die vielen blutdurchtränkten schlachtfelder militärischer massaker: Verdun, Waterloo, Frankenhausen, Bosnien...
heute wuchert hier die vegetation so üppig wie einst nie.
die welt hat nun zwei Päpste, einen alten amtierenden und einen schwerkranken emeritierten.
sie vertragen sich bestens auf pressefotos.
die uhr auf sommerzeit vorgestellt, während in der wohnung die heizrohre rauschen und vor dem fenster schneeflocken drohen.
anzüglichen schmierereien sind in öffentliche toiletten seltener zu finden. dafür aber umso mehr orthographiefehler und todes- anzeigen in den zeitungen.
eigentlich reicht es aus, wie politische hinterbänkler einmal pro woche etwas zu kommunizieren. als unaufdringlicher existenz- beweis.
skepsis gegenüber jeder sinnstiftung, die zum zynismus führt.
höhere geister haben heute befohlen mal nichts zu schreiben.
man kann ja frank und frei ohne zensur alles behaupten. aber noch hat es niemand richtig ausgenutzt.
gegen fast alles werden petitionen unterzeichnet. selbst gegen petitionen an sich liegt jetzt eine petition vor.
nach jahren wieder eine orang-utan-eröffnung gewagt. es geht doch noch, das destruktive schachspielen.
auf einer demo mehr verweigern als befürworten. im warte-raum eines amtes die ausnahme von der regel sein. als querulant daheim redundant bleiben.
die Bahn erzielt einen dramatischen gewinneinbruch, obwohl ihre züge häufiger völlig überfüllt sind.
ein irres rauschen in der luft, das bloss autolärm, das heizungs-rumoren oder ein senderausfall im radio ist.
flugzeuge verströmen stetig mehr treibhausgase, welche als bizarre kondensstreifen zugleich die erde vor einer stärkeren erwärmung schützen.
die linden vor dem fenster als arkadische abschweifung eines räsonierenden satyrs. und das denken so rein, wenn man über nichts bestimmtes nachdenkt.
man muss seine vorurteile beim sinnieren pflegen. sie werden weniger, und das kann bange machen.
die lokführer streiken mit ihrer exklusiv-gewerkschaft erneut für höhere löhne. aber nur für sich und nicht für das schlechter bezahlte begleit- und reinigungspersonal.
wenn es den menschen gut geht, kommunizieren sie banales. im utopischen schlaraffenland dann wohl das allerbanalste.
neugierig sein ohne wirklich etwas wissen zu wollen. die frühe müdigkeit an verregneten januartagen ist zu ertragen.
in einem Ikea-Kötbullar wurde pferdefleisch gefunden und alle regen sich darüber auf. sie sollten froh sein, dass darin keine pressspäne zu finden sind.