kälteverlust


ein anhaltendes selbstgespräch

kein blauer himmel, seit einer woche sündflutartiger regen und der wetterbericht vermeldet wieder eine jahrhundert-flut. wenn es jahr für jahr so weitergeht, werden ich demnächst ein biblisches lebensalter erreichen.

 
wie wird man in 20, 30 jahren umweltkatastrophen managen? mit noch mehr technologie und immer mehr virtueller realität.

 
kann man müssen, wenn man nur möchten will?
es muss halt gedrückt werden, bis es platscht.

 
der herzschlag, die jemeinige zeitbombe, trägt mich, ob ich es will oder nicht, ungleichmässig durch einen gleichförmigen tag.

 
besorgte frage gegen 23 uhr: ist der auf der küchenwand sich mählich transformierende punkt ein unhygienisches insekt oder eine halluzination?

 
wie soll mancher tag in zitierbaren sätzen oder vorstellbaren metaphern festgehalten werden? und was ist die antwort auf eine frage, die überhaupt keine frage ist?

 
nukleare infernos, globale naturkatastrophen und terroristische invasionen gibt es als persistent beeindruckendere untergangs-szenarien. in den grossen multiplex-kinos ist das unheimliche ein grenzenloser, sich stetig steigerbarer untergang.

 
die beruhigende sicherheit, dass überzogene befürchtungen noch niemals eingetroffen sind. und deswegen die angst, dass man derartige vorahnungen irgendwann nicht mehr hat.

 
bier auf wein, das lass sein. doch was einst galt, gilt nimmer mehr. es wird heute alles zitiert und miteinander kombiniert. das glatte mit dem harten in der architektur, das alte mit dem neuen in der bildenden kunst, das leise mit dem lauten in der musik ... und dann noch potenziert prononciert.

 
"die grosse kunst der aporetik, die einst alle gebiete der philo-sophie beherrschte, haben wir heutigen gründlich verlernt. sie muss wieder von grund aus erlernt werden."
Nikolai Hartmann, aus Metaphysik der Erkenntnis

 
ich gebe hier mal unumwunden zu, dass ich das unfassbare* nicht kenne. doch habe ich grund zu der annahme, dass wenn das unerfassbare* unerfassbar ist, es auch niemand anderes erfassen kann.

* undenkbare, unvorstellbare, unerkennbare

 
mehlwürmer sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. nachdem ihre leibspeise, also alle mehlvorräte aus der küche in den müllcontainer gewandert sind, vermehren sie sich munter weiter. erst als noch der traubenzucker, das puddingpulver und alte gewürznelken entsorgt werden, ist endlich schluss mit dem parasitären schlemmen.

 
"überall ist ausland!" - nach vielen jahren ist im nobelsanierten Prenzlauer Berg wieder jener sponti-spruch auf einer hauswand zu lesen.

 
die unheimlichkeit von unbehausten eigentumswohnungen in meinem kiez. es gibt zu viele zweit- und drittappartements von jetstream-besitzern.

 
der mensch muss essen, trinken und jeden monat seine teurer werdende miete zahlen. wann gelingt es endlich einmal, die kontonummern zu korrigieren? das muss doch möglich sein.

 
meine regelmässig sich einstellenden rückenschmerzen. es ist beruhigend zu wissen, dass ich wieder einen grund habe, nicht lange arbeiten zu können. und müssen ja auch nicht.

 
wenn ich wie Thoreau mir eine waldhütte als rückzugsort bauen könnte, würde ich anderes als Walden schreiben.
oder besser nichts.

 
wie schon so oft gesagt: es gibt keinen grund, über den grund nachzudenken. und doch bleibt die frage;. was man überhaupt noch über das tägliche aufschreiben hinaus weiss?

 
in voraussichtlich zehn jahren lässt sich vielleicht bei weiterhin optimierten technologien das gesamte wissen der menschheit in einem zuckerwürfel abspeichern. fällt er aber mal in eine kaffeetasse, dann muss der pott bis zum letzten tropfen ausgetrunken werden.

 
nach allzu munter kommt allzu müde, und nach fest lose im abendfernsehen. die schraube der politischen korrektheit ist völlig überdreht.

 
buchstaben en gros und stets die gleichen.
durchs lesen im laufe der jahre schwerer geworden. aber noch immer kein anerkanntes schwergewicht.

 
statt der üblichen langeweile seit einiger zeit eine ziellose ungeduld. wenn ich in späten stunden arg grübele, dann flackert die tischlampe.

 
"die theorienbildung beginnt im kindesalter: da fängt man an die zusammenhänge zu lieben."
Oswald Wiener

 
lästige spinnen als haustiere akzeptieren, und störende stubenfliegen als parasiten an sie verraten.

 
ein tag ohne bewegungen, ein tag wie im stillstand.
der sommer ist selbst mit nichts überflüssigem darunter zu heiss und sonst gar nichts.

 
bestimmt gibt es bald eine intelligente lebensform, die klima-unabhängig leben und walten kann. erste algorithmen liegen dafür bereits vor.

 
laut kalender neumond und doch jault in der nachbarschaft, so als hätte er Leopardi gelesen, ein einsamer hund (oder ist es ein mensch).

 
zufrieden mit meiner unzufriedenheit.
wer sich für aussergewöhnlich hält, muss zu jeder schandtat bereit sein.

 
standby: immer mehr elektrische geräte (jetzt auch die zahn- bürste, der kühlschrank sowieso und das handy ab und zu) ohne ausschalter. sie beanspruchen laut statistik bundesweit fast zwei atomkraftwerke.

 
ganz gespannt entspannt: wer lange wartet, wartet meist auf irgendetwas bestimmtes.

 
besser texte vor mir als in mir anhäufen. und ab und an einen genitiv des genitivs wagen, also einen genitiv ins unendliche hinein steigern. für all meine vielen selbstgespräche.

 
in dieser zeit können frühbegabte im gegensatz zu einstigen spätbegabten (wie Kant, Fontane, Einstein...) bereits mit vier jahren lesen, machen mit 14 ihr abitur und gelangen mit 20 in vielversprechende gehaltspositionen.

 
ein regenbogen im grauen junihimmel als hochmut gegenüber niemandem und gegen nichts.

 
sich langsamere bewegungen und reaktionen angewöhnen. so wird man wohl mehr akzeptiert.