kälteverlust


ein anhaltendes selbstgespräch

sonntag morgens acht uhr und die übermüdete frage: wieso beginnt ein sonntag schon um acht uhr?

 
dass man beim täglichen rasieren mehr falten im gesicht entdecken muss... und es sind immer noch zu wenige.

 
im Grossen Tiergarten heute mit A. verabredet gewesen. zum vereinbarten zeitpunkt jedoch keine spur von ihr, stattdessen starrt mich eine frau an, die so aussieht, als wäre sie A. in 20 jahren.

 
andere zusammenhänge und formen für lebenslinien finden. also nachträgliche. ich habe wieder ordnung in meine lebens-beichten gebracht, d.h. notizen vor- oder rückdatiert.

 
was kann man wissen? was muss man hoffen? und was hat man zu tun?
es gibt fragen, die zu einer aufgeblasene rhetorik verleiten.

 
ich wartet noch auf mein grosses debüt. es verfolgt mich seit jahren. werde ich es der nachwelt schuldig bleiben?

 
wer mir unbekannterweise jetzt zuwinkt, dem winke ich zurück.
mein entgegenkommen aus unsicherheit.

 
ein böiger frühlingsstag mit einer zu deutlichen zerissenheit. die sonne wirft einen schatten auf den anderen. doch wie viele wolken erträgt ein himmel, bis er platzt?

 
kann sein, was sein kann, aber nicht sein muss?
im nebligen april versprechen werbeplakate alles in nassen farben.

 
am himmelfahrtstag muss konkordant zum lobe des Herrn draussen gesoffen werden. auch wenn es stürmt und regnet.

 
einmal in der woche braucht der stadtmensch die natur. oder wenigstens im kalten april das naturkundemuseum.

 
laute vogelrufe im stadtpark ähneln denen von frauen, die allein und für sich vogelstimmen nachahmen.

 
kein hund, ein aquarium mit leuchtenden fischen wäre eine gesellige möglichkeit. oder ein schlicht grün-gelber wellen-sittich. ein wesen, das sich freut, wenn man mit ihm auf die
welt pfeift.

 
bereits am frühen nachmittag das offenbare bedürfnis nach einer Philosophie im Boudoir.

 
die erste zigarette, das erste gedicht und der erste peinliche koitus. ich bin sicher, es gibt sie nicht noch einmal.

 
blumen brauchen in diesem mai wie manche menschen ein sonnenstudio mit rabatt-garantie.

 
das anhaltende wuchern der sterne im grösser werdenden weltenraum. und gleichfalls das wuchern der stars in sich permanent multiplizierenden medien-angeboten.

 
mein zählzwang an langweilenden tagen. immerdar das ganze im blick behalten.
das ganze ist so unerreichbar weit und intakt.

 
an den fingernägeln nur knappern, wenn es nichts anderes zu knappern gibt.
ich vermute, das beste mittel, nicht mehr einsam zu sein, ist wohl, nicht mehr so viel unter menschen zu sein.

 
die vorstellung vom schlaraffenland lässt sich am besten in horizontaler lage aufrechterhalten. also vor dem aufstehen.

 
pläne für die zukunft schmieden und derartige pläne zugleich belächeln.
meine andauernd ironische falte im gesicht.

 
die ausgelosten lottozahlen ergeben nicht mehr das, was sie sein sollen. schon wieder liegt der jackpot bei unerreichbaren zehn millionen euro.

 
stets diese befremdliche selbstähnlichkeit in spiegelbildern. wenn es mich nicht gäbe, müsste ich mich nicht andauernd erfinden.

 
man trifft immer weniger schöne menschen im alltäglichen leben, weil sich im fernsehen und in der hochglanzwerbung immer mehr schöne menschen tummeln.

 
für manchen drögen tag braucht es einen heissluftballon, mit dem man einem solchen tag entfliehen kann.

 
wie ich im laufe der jahre immer mehr jacketts verbrauche, stühle ruiniere, festplatten festfahre, menschen enttäusche, utopien potenziere... als eine halbwertzeit ohne ende.

 
dank ausreichender und viel beworbener nährung nimmt die zahl der übergewichtigen zu. und was für ein ausgleich, auch
die der magersüchtigen.

 
zäher und jäher. es zeigt sich, dass vieles zäher oder jäher ist als je zuvor. wer lange frei von lob und anerkennung gelebt hat, sollte eigentlich etwas überzeugendes vorzuweisen haben.

 
kopfverstopfung: was für ein wort, was für ein zustand. bei einer schreibblockade kommt nach nichts meist überhaupt nichts mehr. und irgendwann die steigerungsform von gar nichts.

 
was bleibt? was wird die flut der informationen und bilder überdauern? seit meiner kindheit sind es die melodien von banalen pop-songs, die jahrzente markieren.

 
ein glühender himmel am abendhorizont als explodierender hochofen, und kein aufschrei nirgendwo von niemandem.

 
wegen der unbequemen sicherheitskontrollen an flughäfen nach dem anschlag auf die Twin-towers in New York steigen vermehrt amerikaner auf das auto um. was jedoch zur folge hat, dass mehr menschen im strassenverkehr verunglücken.

 
ein blumenladen an der hauptstrasse mit tulpen, narzissen, maiglöckchen, forsythien und flieder. aber man riecht rein nichts.

 
das eis schmilzt weltweit, weil die winter wärmer werden. gleichwohl steigen die heizkosten mit den mieten jedes jahr.

 
erneut hat es ein erkundungsroboter zum Mars geschafft und liefert jetzt in echtzeit gestochen scharfe bilder zur erde. eine erste bemannte mission soll es in 20 oder 30 jahren geben. für die suche nach einem neuen heimatplaneten werden keine mühen und kosten gescheut.

 
jene quantensprünge in immer ein- und dasselbe universum.
das ist bodenständigkeit.