überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

wo bekommt er neue Rollen für seine Inlineskates? und wo kann er verstellbare Rollschuhe für seinen Sohn kaufen? in Sportgeschäften eigenartigerweise nicht. hier werden markige Turnschuhe und angesagt Buntes zum Bekleiden verkauft. die erreichbaren Fachgeschäfte bieten zwar Skates in ihren Regalen an, jedoch so lange sie zu wenige brauchen, keine Ersatzteile und simple Rollschuhe seit langem nicht mehr. es wird komplizierter in der freien Marktwirtschaft, einkaufen zu gehen. man muss manches im Internet bestellen und sich mit einem Portoaufpreis schicken lassen. da es vielen so geht und das Shoppen vermeintlich derart bequemer ist, blockieren von Montag bis Samstag die Lieferwagen mehrerer Paketzusteller die Strassen und selten sind sie imstande, eine Sendung einem Empfänger auszuhändigen.
es sind die netten Menschen, die wie er unentwegt zu Hause arbeiten und sie stellvertretend annehmen. die Besteller müssen ganztägig in ihren Büros schuften und ordern am Abend ganz bequem online die Verlockungen der Warenwelt. die Werbung verspricht ihnen, dass spätestens am übernächsten Tag alles ankommt, und dass, so ihr Slogan, nur Deppen schleppen. aber denkste. bei ihm, dem netten Nachbarn, stapeln sich die Pakete, welche erst abgeholt werden, wenn er wiederholt nachfragt oder sie zu ihnen trägt. der überforderte Zusteller versäumte es, eine Benachrichtigung in den Briefkasten zu werfen und die kaufwütigen Empfänger haben ihre Bestellungen schlichtweg vergessen. die eigenen Pakete darf er selber vom Postamt abholen und muss dort Schlange stehen. man weilt schliesslich nicht immer in den eigenen vier Wänden, bekommt aber justament dann etwas für sich geliefert. oder der Bote wird so schlecht bezahlt, dass er tricksen muss und besonders in der aufreibenden Vorweihnachtszeit ohne zu klingeln einfach den Beleg fürs Postamt an die Haustür pinnt.
die kommunalen Einzelhändler bangen wegen dem Onlineboom um ihre Existenz. zahlreiche Geschäfte wurden in seinem Kiez, seit der Umsatz stagniert und die Mieten immens steigen, bereits aufgeben. sogar die auf nostalgisch getrimmten kleinen Bio-Läden verschwinden nach und nach. sie werden von Ketten ersetzt, die in grossen Filialen ein breit gefächertes Angebot bereithalten, oder von globalen Mode-Herstellern, welche ihre Läden in Berlin als Werbe-Schaufenster betreiben. der Mensch soll online shoppen, damit die Volkswirtschaft effektiver prosperiert. fast alles wird als Schnäppchen angeboten, während die Möglichkeiten der Kontrolle geringer werden und es an Vergleichsmöglichkeiten fehlt, seitdem man fast alles über den PC oder das Smartphone bestellt und künftig dann über Sensoren im Kühlschrank, so dass sich vollautomatisch das Nötige speditiert. technisch ist es bereits machbar und damit absehbar, dass in greifbarer Zukunft der Nachschub an Lebensmitteln und Sonstigem über Drohnen oder als Rohrpost eintrifft. letzteres scheint in Städten wahrscheinlicher, dieweil einst die Zustellung von Dokumenten in Röhren sicher funktionierte und wir in naher Zukunft bestimmt alle wegen dem Klimawandel unter der Erde hausen.