überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

wenn beim Denken Sicherungen durchbrennen, gehen wichtige Details verloren. man sitzt plötzlich im Dunkeln und muss feststellen, dass ungespeichert ein mühselig laborierter Text, wie die erste Fassung von diesem, sich in ein Nichts verwandelt. er ist erneut zu schreiben und wird vielleicht etwas anderes, ein anderes Meinen und Syntaktisieren. Sätze müssen sowieso solange umgeschrieben werden, bis sie halbwegs überzeugen oder der Kopf sich überhitzt und lauter Unsinn von sich gibt, hochtrabend Abgehobenes, was man beim Nachlesen selber nicht versteht. die Schraube darf nicht überdreht werden, nach allzu fest kommt lose. also begnügt er sich mit einer kleineren, immerdar auszubremsenden Denkart. wer mit den ersten, flugs abstürzenden Betriebssystemen aufgewachsen ist, speichert an seinem Computer seine Zwischenergebnisse und legt währenddessen eine Erholungspause ein.
bei Experimenten mit seinem Elektronikbaukasten war er wagemutiger. hier hat er Sicherung einfach kurzgeschlossen, sie mit Alu-Papier umwickelt. dafür schmorte der eine oder andere Transistor durch und war schwerlich in einem Fachgeschäft zu ersetzen. Jahre später musste er sich von einem hochgetunten Prozessor in einem seiner ersten Computer verabschieden. ein Übertakten war nötig gewesen, damit Animationen zum Laufen kamen. mittlerweile ist alles intern abgesichert und von den Herstellern hochgradig optimiert. dennoch bleibt es riskant. die Gefahr, dass unsere digital verfasste Kultur arge Einbussen erfährt, droht von ganz woanders her. Sonnenstürme könnten auf der Erde zu weitflächigen Stromausfällen führen und, wie manche Experten meinen, digitale Speicher unversehens löschen. schlagen zahlreiche kurz hintereinander ein, sorgen sie im Erdmagnetfeld für einen regelrechten Kurzschluss. die sensible Elektronik würde in Computern und Netzwerken grossflächig durchbrennen, so dass umfangreiche Datenbanken wie die von Wikipedia und Google sich sukzessive entleeren.
doch auch ohne implodierende Serverstationen drohen katastrophale Verluste. bei einer permanenten Überproduktion von Daten werden in einem kommunikativen Turbo-Rausch Informationen nur noch so lange abgeglichen, bis der Geist erschlafft und nicht mehr wissen will, wie es weitergeht. zu viele Höhepunkte münden definitiv in eine Lethargie und lassen selbst bei prickelnden Angeboten die Aufmerksamkeit schwinden. das macht regressiv und lässt Wolken aufsteigen, mit denen das Wünschen sich eine verheissungsvolle Welt imaginiert. in ihr taumeln wie Elementarteilchen Träumer mit- und gegeneinander, je mit einem eigenen Ort und in einer anderen Zeit, subatomar getunnelt aus unterschiedlichen Quanten-Zuständen. sie verbinden fragmentierbar Kurzes in unendlich vielen Freiheitsgraden zu einem Ausführlichen. Sätze, die solche Immanenzen zu beschreiben versuchen, dürfen nicht mit einem ängstlichen Subjekt anfangen, sie beginnen mit Füllwörtern oder Adverbien.