überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

bei Ausschreibungen für Kunstprojekte kommen manchmal Aussenseiter dank einer Verwechselung zum Zuge. für gewöhnlich sind Entscheidungen von Juroren ein abgekartetes Spiel. wer Preise und Förderungen erstrebt, muss Kontakte knüpfen, sich permanent bewerben und wen kennen, der in entsprechenden Gremien etwas zu melden hat. das gelingt auf lange Sicht, wo der ambitionierte Künstler einen Verein gründet oder einem bestehenden beitritt, um sich beziehungsreich zu vernetzen. nur ist es wirklich notwendig? er hat sich selten zu Bewerbungen herabgelassen und wenn doch, war er fast immer erfolglos. in aller Ruhe wartet er lieber ab und bröselte vor sich hin, bis mit einem Telefonklingeln ihn ein Ruf ereilte. wenigstens zweimal im Jahr bestellte ihn jemand für ein Projekt oder einen Vortrag. man wollte ihn haben und honorierte seine Arbeit ordentlich. nunmehr rufen einzig noch Assistenten aus Galerien an, um eine Ausstellung anzubieten, für die er eine Miete zahlen soll oder es melden sich per e-Mail Artdealer, welche für gutes Geld alles promoten. solches wird natürlich abgelehnt.
in die sächsische Stadt Chemnitz führte ihn 1994 ein landeshoheitlich gefördertes Projekt, das es auf seine LTI-Sprache abgesehen hatte. daran war paradoxerweise ein Missverständnis schuld. die Organisatoren meinten, er hätte sich mit Viktor Klemperers Kritik an der Nazi-Sprache beschäftigt und sei dementsprechend historisch orientiert. seine Lingua Trium Insignium zielt indes auf anderes, sie ist eine Auseinandersetzung mit den Potentialen des digitalen Cyberspace. dementsprechend wurde etwas kontemporär Konstruktives aufgebaut, das vom Null- zum Multidimensionalen führte. die Arbeit war seine erste grosse Installation und eine ziemliche Schinderei. um Holzstelen zu verankern, musste er Löcher in einen Rasen graben, der Bauschutt barg und mit einem Spaten mühevoll zu durchstossen war. zum Glück fand er einen Assistenten, der beim Buddeln und Hacken half. als die Arbeit am Ende termingerecht stand, ragte sie als ein solitäres Werk heraus. die anderen Beteiligten hatten gut interpretierbar Sozialkritisches geliefert.
heute arbeitet er mit selbst entwickelten Programmen digital, das spart Kosten und Mühen. am Computer kann er wohlfeil lange herumtüfteln, es sind keine sperrigen Keilrahmen zu lagern oder aufwendige Montagen einzuplanen. das Vorzeigbare wird auf Festplatten gespeichert und für den Fall, dass sie festfahren, sichern darüber hinaus Memory-Sticks seine Daten. für Ausstellungen druckt er Passendes aus oder versende wie bei der Biennale in Sao Paulo vor einigen Jahren einfach eine Datei, die vor Ort ohne seinen Beistand abgespielt wird. er muss nicht mehr vor einem Publikum seine Erfindungen kommentieren und ebenso wenig die Ignoranz eines vorbeiflanierenden Publikums ertragen. wo der Künstler abwesend bleibt, ist es für die Kuratoren auch einfacher, sie brauchen keine Reisekosten einkalkulieren und können möglichst viel zeigen.