überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

in Künstlerkreisen ist er kein kompetenter Gesprächspartner. man redet hier nicht über die Kunst, sondern wie die eifrigen Handwerker über das schnöde Geldverdienen. prononciert wird das eigene Vermögen als vage Behauptung angedeutet, indem potentiell anstehende Käufe oder wichtige Präsentationen erwähnt werden. überzeugt das Angeben, ist mehr Aufmerksamkeit garantiert. derartig wird das kreative Schaffen verbändelt, auf dass es in eine Gruppen- oder günstigstenfalls in die nächsten Landeskunstausstellung kommt. dies gelingt vor allem bei Arbeiten, die sich wenig festlegen, auf kein Thema und kein Material. Kuratoren finden dann das, was sie gern mit der Kunst belegen wollen.
in DDR-Zeiten arbeitete sich kämpferisch ein oppositionelles Wir an einem Feindbild ab. jene Haltung wollte keine erfolgreiche sein, sie strebte unentwegt nach einem visionären Erlebnis. gegen einen drögen sozialistischen Realismus wurden verspätet die Avantgarden der Moderne entdeckt und in Ausstellungen mit Performances existentiell deduziert. dilettantische Grenzüberschreitungen opponierten gegen eine kleinkarierte Enge und meist radikal auch als ein politischer Widerstand. mancher Idealist war dafür sogar bereit, weil nicht Mitglied in einem Berufsverband, für das Kulturamt ein Volkskünstler zu sein. die eigenen Bilder zeigte er zuhause in Mappen oder hängte sie in leerstehenden Gewerbe-Räumen auf, wo dann wilde Partys gefeiert wurden. in der Dresdener Neustadt und in Leipzig-Connewitz hat er es erlebt, und dabei auch den Galeristen Judy Lybke kennengelernt. er präsentierte die Arbeiten seiner Freunde ganz bescheiden in seiner Leipziger Wohnung und dann in einer ehemaligen Werkstatt, die er Produzentengalerie nannte. dort kam man vor einer richtigen Werkbank mit ihm locker ins Gespräch und er trug noch keinen teuren Zweireiher über einen saturierten Bauch.
nach der Wiedervereinigung war das inspirierende Miteinander schnell vorbei. eine einst staatskritische Eigenwilligkeit musste sich nun gegen ehedem Verbündete als Konkurrent durchsetzen. aus aufmüpfigen Lebenskünstlern wurden Karrieremacher, die sich gewieft um Stipendien und Ausstellungen bewarben. wer mit den rechten Beziehungen und ein bisschen Glück sich erfolgreich positionieren konnte, hatte es geschafft, und wer nicht, versuchte es im Antichambrieren und Schreiben von Projektanträgen, damit er weiter mit der Hoffnung, es irgendwann zu vermögen, über die Runden kam. er hat es eine Weile ausprobiert und sich rechtzeitig zurückgezogen. wo ästhetische Kompetenzen sich mit cleveren Kommunikationsstrategien paaren, fühlt er sich nicht wohl. seitdem wird er weniger begehrt, obwohl einiges vorzuweisen ist. nur ohne Referenzen und einem kuratorischen Sockel interessiert sich dafür kaum jemand im Kunstbetrieb. wann ist man ein Künstler? vielleicht dann, wenn es schwer fällt, einer zu sein.