petting des ich


(ein investigativer rückblick)

in meiner Kindheit wurden die Bananen gekrümmt unter dem Ladentisch als Bückware gelagert. hatte sich hier Exotisches in einem Gemüseladen verirrt, musste man zur rechten Zeit am rechten Ort sein oder gute Beziehungen haben. das angebotene Obst war vorwiegend einheimisch und wurde in meiner Familie für die Wintermonate in Einweckgläsern gebunkert. dementsprechend gross war die Sehnsucht nach kulinarischer Abwechslung. ich kompenserte sie auch mit Filmen von fernen Ländern und der Weltliteratur. gute Bücher wurden mir irgendwann ein Lebensersatz, mithin sie den begrenzten Alltagshorizont immens erweiterten. was man vom Deutschlandradio besprochen bekam und nicht in Buchläden fand, schickten Bekannte aus dem Westen. als Gegenleistung erhielten sie von mir das Marxsche Kapital oder Lateinübersetzungen, die damals im Osten glänzend waren, aber kaum Leser fanden. der Nachholbedarf an Bildung drückte ein Lebensgefühl aus, das nach einer anderen Wirklichkeit suchte. dafür musste ich mich hinlänglich belesen und war irgendwann gegenüber den Eltern sowie manchem Lehrer in einer überlegenen Position.
die heutige Generation hat es schwerer, sich derart zu behaupten. sie kann keinen Foucault oder Deleuze mehr entdecken, nur noch zur Kenntnis nehmen. ihr Differenzdenken wird sie vermutlich nie richtig verstehen, weil der Kontext inzwischen ein anderer ist. hervorragend kennt sie sich hingegen seit jungen Jahren bei Computerspielen aus. hier können ihre kultivierten Eltern selten mitreden, es höchstens kritisieren und begrenzen. sind sie damit erfolgreich, darf erst vor dem Bildschirm geballert und Punkte gesammelt werden, nachdem die Hausaufgaben erledigt sind. und falls es nicht fruchtet, ist eine Moralpredigt auszuhalten. mit ihr wird unmissverständlich die Nützlichkeit der Bildung herausgestellt und als langfristige Marschroute ausgegeben. nur wozu nützt Bildung wirklich? je mehr Kenntnisse man sammelt, desto mehr relativiert sich das angehäufte Wissen. ich bin jedenfalls mit einem Bildungsstand, der kaum honoriert wird, kein überzeugendes Beispiel. andere Väter schon. sie verweisen auf den mit ihren Karrieren erreichten Wohlstand. das überzeugt und lässt ihre Söhne und Töchter entschlossen die akademische Reife anstreben.
es wird fleissig gelernt, damit der Abi-Notenschnitt für den Numerus Clausus reicht. doch was für eine Tragödie, kaum jemand will sich darüber hinaus mit Belletristik oder gar Philosophie belasten, einzig ein wissenschaftlicher Abschluss für die spätere Laufbahn wird effektiv erstrebt. an der Uni absolviert junge Talente eine Berufsausbildung und suchen weniger den universitären Weitblick. es soll praktisch vonstatten gehen und mindestens ein Auslandspraktikum enthalten, das gut für spätere Bewerbungen ist. viele Studenten lesen in ideal ausgestatteten Bibliotheken keine Bücher, sondern Lehrmaterialien, um sich auf anstehende Prüfungen vorzubereiten. für die journalistische Tagesorientierung interessieren sie sich ebenso wenig, da für eine politische Meinung keine Zeit bleibt. es sind ständig Belegarbeiten und später eine Promotion zu schreiben.