petting des ich


(ein investigativer rückblick)

ich gebe seit Jahren Geld aus, das ich gar nicht verdiene, sondern beziehe. dafür sind Bettel-Anträge zu schreiben, ganz devot sachbezogen für Projekte und nie als Forderung zur Unterhaltung des eigenen Oikos. oder das Amt schickt die Formulare alle sechs Monate. auf jeder Seite erreichen mich auszufüllende Zumutungen, in die ich mich als Sozialfall einzufügen habe. meine Arbeit erzielt, egal wie fleissig oder faul ich bin, keineswegs die Einkünfte, die ich zum Überleben verdienen müsste. in unserer begüterten Gesellschaft darf man sich mit einem freien Kulturberuf emsig selbstverwirklichen, den monetären Mehrwert schöpfen andere unbescheidener ab.
mit dem Versprechen, dass man mal erkannt und bekannt wird, arbeiten viele wie ich unentgeltlich. wir sind gezwungen, uns mit Tricks durchs Leben zu schlagen, und der Standortfaktor Kultur profitiert davon gehörig. jene prekäre Situation wird weder durch Förderstipendien noch Preisgelder ausreichend kompensiert. trotzdem muss man den Erfolgreichen mimen, sonst wird man nicht ernst genommen. dies hat zur Folge, dass nicht nur gearbeitet, sondern gelegentlich auch Geld zu verdienen ist. nur wann eigentlich? freie Geister können nicht viel jobben. sie benötigen ihren ungeregelt eigenbestimmten Lebensrhythmus. in meiner Sturm- und Drangzeit kam ich mit wenig Schlaf aus und habe nebenbei für Vereine den Dienstleister als umgänglich Malochender gespielt. es war eine Gastrolle, die mir nicht gut stand. andere wirkten überzeugender und konnten zur rechten Zeit umsatteln. jetzt sind sie Grafikdesigner oder Kunstlehrer. mir gelang es nicht, mich aus dem undankbaren Künstler-Dasein zu entlassen. bestehen kann ich hier stetig weniger, da die junge Konkurrenz mit besseren Voraussetzungen operiert und vielversprechend bei Gruppenausstellungen sowie Ausschreibungen nachrückt.
der aussichtsreiche Nachwuchs im Kunstsystem hat gut situierte Eltern, die das Studium und den Auftakt in ersten Galerien finanzieren. oder es wird ein reicher Ehepartner gefunden, welcher für sämtliche Kosten aufkommt, um sie bei der Steuer abzuschreiben. wer sich derart verbündet und absichert, darf sich exponieren. dazu bedarf es weniger einer fundierten Bildung mit authentischen Erfahrungen als eines ausgeprägten Willens zur Karriere. die Gesellschaft leidet darunter, wenn es in erster Linie egozentrische und profilierungssüchtige Selbstdarsteller schaffen, sich auf breiter Front durchzusetzen. doch die Kunst sollte besseres sein als eine Bühne für die individuelle Verwirklichung von Leuten, welche nur nach einer Anerkennung streben. andere Ansprüche hätte ich als Überlebenskünstler zu lehren, aber eine Professur als Profession hat man mir nie angetragen. bisher durfte ich bloss als Exot Gastvorlesungen vor Dozenten und Studenten halten, eine sogar innerhalb einer Ringvorlesung einem breiten Publikum zum besten geben. ausser der Reihe hat man mich akzeptiert. so brauchte mich keiner richtig wichtig nehmen. bezahlt wurde diese Rolle jeweils generös. dennoch waren es nur Tropfen auf einen heissen Stein.