petting des ich


(ein investigativer rückblick)

er gibt seit Jahren Geld aus, das er gar nicht verdient, sondern bezieht. dafür sind Bettel-Anträge zu schreiben, devot sachbezogen für Projekte und nie als Forderung zur Unterhaltung des eigenen Oikos. oder das Amt schickt die Formulare alle sechs Monate. auf jeder Seite erreichen ihn auszufüllende Zumutungen, in die er sich als Sozialfall einzufügen hat. sein Arbeiten erzielt, egal wie fleissig oder faul er ist, keineswegs die Einkünfte, die er zum Überleben verdienen müsste. in unserer begüterten Gesellschaft darf man sich mit einem freien Kulturberuf emsig selbstverwirklichen, den monetären Mehrwert schöpfen andere unbescheidener ab.
mit dem Versprechen, dass man mal erkannt und bekannt wird, arbeiten viele wie er unentgeltlich. man ist gezwungen, sich mit Tricks durchs Leben zu schlagen, und der Standortfaktor Kultur profitiert davon. jene prekäre Situation wird weder durch Förderstipendien noch Preisgelder kompensiert. trotzdem muss man den Erfolgreichen mimen, sonst wird man nicht ernst genommen. dies hat zur Folge, dass nicht nur gearbeitet, sondern gelegentlich auch Geld zu verdienen ist. nur wann eigentlich? freie Geister können nicht viel jobben. sie benötigen ihren ungeregelt eigenbestimmten Lebensrhythmus. in seiner Sturm- und Drangzeit kam er mit wenig Schlaf aus und hat nebenbei für Vereine den Dienstleister als umgänglich Malochender gespielt. es war eine Gastrolle, die ihm nicht gut stand. andere wirkten überzeugender und konnten zur rechten Zeit umsatteln. jetzt sind sie Grafikdesigner oder Kunstlehrer. ihm gelang es nicht, sich aus dem undankbaren Künstler-Dasein zu entlassen. bestehen kann er hier stetig weniger, da die junge Konkurrenz mit besseren Voraussetzungen operiert und vielversprechend bei Gruppenausstellungen sowie Ausschreibungen nachrückt.
der aussichtsreiche Nachwuchs im Kunstsystem hat situierte Eltern, die das Studium und den Auftakt in ersten Galerien finanzieren. oder es wird ein reicher Ehepartner gefunden, welcher für sämtliche Kosten aufkommt, um sie bei der Steuer abzuschreiben. wer sich derart verbündet und absichert, kann sich exponieren. dazu bedarf es weniger einer fundierten Bildung mit authentischen Erfahrungen als eines ausgeprägten Willens zur Karriere. die Gesellschaft leidet darunter, wenn es in erster Linie egozentrische und profilierungssüchtige Selbstdarsteller schaffen, sich auf breiter Front durchzusetzen. doch die Kunst sollte besseres sein als eine Bühne für die individuelle Verwirklichung von Leuten, welche primär nach einer Anerkennung streben. andere Ansprüche hätte er als Überlebenskünstler zu lehren, aber eine Professur als Profession hat man mir nie angetragen. bisher durfte er bloss als Exot Gastvorlesungen vor Dozenten und Studenten halten, eine sogar innerhalb einer Ringvorlesung einem breiten Publikum zum besten geben. ausser der Reihe hat man ihn akzeptiert. so brauchte ihn keiner richtig wichtig nehmen. bezahlt wurde diese Rolle jeweils generös. dennoch waren es nur Tropfen auf einen heissen Stein.