petting des ich


(ein investigativer rückblick)

ohne Lob findet das Streben keine Anerkennung, und ohne Anerkennung macht es keinen Spass. in Arbeitszeugnissen steht deshalb häufig, dass zur vollsten Zufriedenheit alle Aufgaben erledigt wurden. für den ganz fleissigen Kollegen heisst es: stets zur vollsten Zufriedenheit. dadurch wird er am effektivsten als unangenehme Konkurrenz oder ständiger Besserwisser weggelobt. bei Ausstellungen, wo keine vergleichbaren Parameter greifbar sind, preist man Werke als alleweil gut gelungen und anspruchsvoll umgesetzt. eine solche Laudatio muss ausgehalten werden, so wie zu billigen ist, dass im Feuilleton die Kunstkritik nicht ordentlich kritisieren darf, da sie sonst der Vorwurf trifft, die falsche Kunst gewählt zu haben. geredet wird während der Vernissage nicht über das Präsentierte, sondern über das Wetter, die politische Weltlage und das Berfinden ganz allgemein. man hat gar nichts zu sagen und sagt es in aller Ausführlichkeit. der unwesentlich anwesende Künstler muss dabei dankend Hände schütteln.
nicht geschimpft ist wahrlich genug gelobt. nur das reicht nicht aus. es muss wenigstens dezent geschmeichelt werden, so dass selbst die Klugen einer leeren Meinung auf den Leim gehen. Beifall spenden scheint einfacher, als Vorliegendes differenziert einzuschätzen. mich hat ein Lob seit je misstrauisch gestimmt, und weil man es mir angesehen hat, habe ich selten eins bekommen; nicht einmal als Kind die begehrten Fleiss-Bienchen von der Lehrerin. tatsächlich ist es spannender, seine Mitmenschen unverblümt zu verblüffen. damit bleibt man am Zuge und schafft sich Situationen, die weniger anöden. bei einer Vernissage habe ich mit Plaisir mal einem Kunstsammler erklärt, dass viel bildende Kunst auf die Dauer gebildete Menschen eingebildet und sensible neurotisch mache. das wurde natürlich von ihm nicht akzeptiert, war ad hoc freilich schwer zu parieren. so wäre es fast im Raum stehen geblieben und zum Auslöser für ein Duell geworden. wir einigten uns friedlich darauf, dass der Kunstbetrieb ein komplexes System sei und allzu viele Egozentriker in ihm unakzeptable Ideale produzierten.
relativiert kann eine Kritik wie die Huldigung ertragen werden. letztendlich bleibt es egal, wie es aufgefasst wird. wichtig ist, dass in Ausstellungen Vorgestelltes wenigstens bemerkt wird und nicht spurlos paradiert. als Kunst sollte Substanzielles nicht wie ein Kochrezept an die nächste Generation gehen. es darf keine Asche, sondern einzig die Glut weitergeben werden. ist man sich dessen nicht sicher, sei das Erbe lieber zu unterschlagen. Kafka hat vielleicht aus diesem Grund verfügt, dass nichts aus seinem Nachlass veröffentlicht werde, und damit, wir müssen seinem Willen dankbar sein, das Gegenteil erreicht. Brecht wollte kein Denkmal haben und hat erst recht eins vor seinem Theater bekommen. nämlich ein banales von Fritz Cremer, den er einst überredet hat, im Hitler-Deutschland zu bleiben, während er ins sichere Asyl flüchtete.