petting des ich
wer Talent sein eigen nennt, möchte ein erfolgreicher Mensch sein,
auch wenn er bisher kaum Beeindruckendes vorzuweisen hat. das Wünschen steht sich im Wege,
wo es nicht gelingt zu überzeugen und muss ohne Avancen mit Andeutungen dreist
eine Anerkennung behaupten. hochfahrende Künstler sind darin wahre Meister.
sie schreiben sich ihre Vita schön, so dass sie für Kuratoren attraktiv sind,
oder sie gründen Kunstvereine und Projektgalerien mit den gleichen Gleichgesinnten.
erst respektierlich vernetzt kommen im Kulturbetrieb aufstrebende Talente zu gut besuchten
Ausstellungen,
lobenden Rezensionen und weiterführenden Preisen, um vielleicht irgendwann von ihrer Arbeit gut
leben zu können.
es geht jedoch auch anders, wenn die Weichen auf neue Perspektiven umgestellt werden. eine Freundin bescherte ihrem Leben
mal eine ziemliche Kehrtwendung, als sie sich nach anhaltenden Geldsorgen mit
einem gefakten Lebenslauf sowie erfundenen Zeugnissen beim
Jobcenter bewarb. also gerade dort, wo sie lange alimentiert wurde und ihre
echten Daten hinterlegt hatte. die Verwegenheit fiel nicht auf, weil sie wohl zu
verwegen war. nach einer kurzen Einweisung bekam sie eine gut
bezahlte Anstellung als Arbeitsvermittlerin in der bayrischen Provinz. hier
konnte sie sich erfolgreich behaupten, da sie die Tricks und Marotten der
falschen Faulenzer, welche doch lieber arbeiten würden, umgehend erkannte. der
gewagte Umstieg war gelungen und nach einem Jahr begann sie eine Karriere im
Business. niemand, der sie als gern Bier trinkende Punk-Sängerin kannte,
hatte er dies zugetraut.
ein Verwandlungstier hat Elias Canetti den Menschen genannt und seinen Vergleich
mit zahlreichen Mythen belegt. lange bevor ihn die moderne Zivilisation auf ein
eindimensionales Wesen mit einem limitierten Rollenrepertoire reduzierte,
vermochte er sich mit sicherem Instinkt chamäleonartig seiner Umwelt
anzuverwandeln. mit Leidenschaft und ein wenig Verrücktheit lassen sich
noch immer Gedanken ins Positive wie Negative verkehren. nur wem die Phantasie
oder das Zutrauen dafür fehlt, der bleibt bescheiden bei seinen Leisten. es könnte ja sein, dass
seine Beharrlichkeit eines Tages belohnt wird. bei Kafka vermochte eine tüchtige Zurückhaltung sogar eine
Weile als Ungeziefer überleben, ohne dass dagegen jemand etwas unternahm und nach einer
Zeit der Gewöhnung einzuwenden hatte. es ist ein sich
selbst täuschendes Denken, das sich eine Freiheit vorgaukelt und machen kann,
was es kann, aber nicht wollen, was es will. erst in der Einsamkeit nach
Mitternacht wird gelegentlich Kühnes erwägt und mit
einem interesselosen Wohlgefallen behauptet, doch am Morgen schnell
verworfen, wenn der nüchterne Verstand die Konsequenzen erwägt.