petting des ich
zur Untätigkeit verdammt schläft der Mensch länger.
erst neun Stunden, dann zehn und bald zwischendurch noch ein bisschen. ohne Brotarbeit und
antreibende Selbstverpflichtungen erging es ihm so. ist einzig die
Alltagsroutine zu meistern, wird es unbefriedigend, wie Sisyphus einen Stein stets den gleichen Hang
hinaufzuschieben. das Gekonnte fortwährend zu können, führt zu einer ermüdenden
Verdriesslichkeit. es muss dann was Neues auf die Beine gestellt werden, der
Kreislauf darf nicht lange auf kleiner Flamme kochen. er
braucht, für sein Streben ab und an einen Mont Everest oder wenigstens einen
merklichen Höhenunterschied.
eine Zeit lang war das Klettern für ihn eine Herausforderung und vielleicht
die grösste, weil sie mit Höhenangst bewältigt wurde. als Abiturient hat er
es im sächsischen Elbsandsteingebirge mit Freunden gewagt. sie hatten die
Ausrüstung und Erfahrung, so dass er mit ihnen als Nachsteiger einige Gipfel
erklomm. obwohl ungeübt, gelang ihm der Aufstieg sogar bei leichten
Überhängen und Kaminen. hatte er mehr als zehn Meter unter sich zu ertragen,
wurde es wie an der Wehlnadel einmal äusserst unangenehm. das Klettern begann
hier harmlos von der Bergseite und das Gipfelbuch schien in greifbarer Nähe.
nach einer halben Umrundung befand er sich aber an der Talseite über den Kronen
der Bäume und es war unmöglich umzukehren. unüberhörbar wurde unter mir auf der
Felsenbühne Rathen mit lautem Donner der Freischütz gespielt.
trotzdem gelang es irgendwann, die Höhenangst in die Schranken zu weisen
und die schwierige Nadel zu bezwingen. fast alle in seiner Gruppe hatten sie
gemieden, sie waren nicht so grössenwahnsinnig wie er gewesen. doch im
nachhinein bereut er seine Hybris nicht. sie war eine
wesentliche Erfahrung geworden.
als reife Persönlichkeit meidet er solche Höhenflüge. er bevorzugt die
Mühen der Ebene, den Mut zu abenteuerlichen Wagnissen hat man wohl nur, wenn man jung
und naiv ist. wer im reiferen Alter andere mit Ansprüchen
überraschen will, muss aufpassen, dass er sich selber nicht überfordert.
es kann just der Fall sein, mithin immer weniger
der Fall ist und untrainiert etwas zu beweisen ist. kommunale Politiker,
die keinen bemerkenswerten Erwartungen unterliegen, sind darin Meister. sie
befördern, damit ihr Einfluss wächst, anstatt nachhaltig Kleines unsinnige
Grossprojekte. wo wer dauernd auf Sitzungen sitzt und die gleichen Statements herbetet,
der will beweisen, dass er mit massgeblichen Baustellen mehr kann. Stuttgart
bekommt wohl deswegen nun einen zehn Milliarden teuren unterirdischen Bahnhof, Karlsruhe hat
bereits einen Flughafen für 271 Millionen Euro, den keiner benötigt, und in
Berlin ist ein fast fünf Milliarden teurer Airport wegen technischer
Fehlplanungen seit Jahren nicht benutzbar und wird trotzdem weitergebaut. solche
Flops können, sobald die Presse sie zu einem Dauerthema macht, Karrieren ins
Wanken bringen und sichere Wahlergebnisse von Parteien abstürzen lassen.