petting des ich


(ein investigativer rückblick)

die Tempelhofer Freiheit darf eine Freiheit bleiben und nicht mit teuren Wohnungen nebst Shoppingzonen zugebaut werden. ein Volksentscheid hat es letztes Jahr wider wirtschaftlichen Empfehlungen mehrheitlich erzwungen, so dass auf dem einstigen Berliner Flughafen weiterhin Skater und sonstige Rollende ungestört voneinander ihre Kreise ziehen. besonders Wagemutige beschleunigen sich als Kitsurfer mit grossen flatternden Segeln. nur der mitgebrachte Drachen will an diesem Samstag nicht fliegen, nicht mal abheben. ganz gleich ob ich mit meinem Sohn rückwärts oder vorwärts spurte. er trudelt und steigt nicht auf, während wir die Unruhe selbst sind. ferngesteuerte Modellflugzeuge sowie kleine Drohnen vermögen es. mit leistungsstarken Akkus lassen sie sich bei jedem Wetter bis ins nicht mehr Sichtbare lenken. wird das die Zukunft des herbstlichen Fliegens sein?
als Kind habe ich darunter gelitten, dass meine gebastelten Drachen nie richtig gen Himmel stiegen. sie waren falsch konstruiert und zu schwer. mein Vater, der mir hätte zeigen müssen, wie es zu bewerkstelligen sei, arbeitete auf fernen Auslands-Baustellen oder war daheim zu müde für eine aufregende Freizeitgestaltung. ich habe mich daran gewöhnen müssen, dass sogar das Beste von mir selten aufsteigt. es finden vorzeigbare Bilder und Texte, aus welchen Gründen auch immer, wenig Widerhall. entweder sind sie zu kompliziert, zu provokativ oder zu unzeitgemäss. ich bin schwer vermittelbar, meine Arbeiten sind nicht einleuchtend, weil vielen zu unverständlich. bloss Gleichgesinnte, welche über genügend eigenes Imaginationsmaterial verfügen, können und wollen sich an sie erinnern, kaufen jedoch ebenfalls nichts. ich bleibe der wichtigste Sammler meiner eigenen Ein- sowie Ausfälle. das hat auf die Dauer unangenehme Folgen. ich verursache Amnesien und es stemmen seit einiger Zeit keine Galeristen, Kuratoren und Künstlerkollegen mit mir Projekte. ich werde einzig als Besucher-Statist zu deren Vernissagen eingeladen. es ist alles in allem kein Grund zum Jammern, aber auch keiner, um sich zufrieden auf die Schulter zu klopfen.
eigentlich könnte ich stolz sein auf das, was ich nicht erreicht habe. nimmt man nichts ernst, muss man sich selber nicht ernst nehmen (schon wegen der Grammatik und aus rein pragmatischen Gründen). wer in jungen Jahren öffentliche Erfolge verbucht, leidet im reifen Alter mit den abundanten Erfahrungen an einer inneren Leere. sich ewig zu toppen, geht nicht, und das Streben aufzugeben, ebenso wenig, da die Künstlerseele eine stete Bestätigung beansprucht. lediglich als Müssiggängern fällt es nicht schwer, die Zeit zu vertrödeln. dann lassen sich unliebsame Herausforderungen aufschieben und eigene Ambitionen langfristig angehen.