petting des ich


(ein investigativer rückblick)

die Tempelhofer Freiheit darf eine Freiheit bleiben und nicht mit teuren Wohnungen nebst Shoppingzonen zugebaut werden. ein Volksentscheid hat es letztes Jahr wider wirtschaftlichen Empfehlungen mehrheitlich erzwungen, so dass auf dem einstigen Berliner Flughafen weiterhin Skater und sonstig Rollende ihre Kreise ziehen. besonders Wagemutige beschleunigen sich als Kitsurfer mit weit flatternden Segeln. nur der mitgebrachte Drachen will an diesem Samstag nicht fliegen, nicht mal abheben. ganz gleich ob er mit seinem Sohn rückwärts oder vorwärts spurtet. der Drachen trudelt und steigt nicht auf, während man die Unruhe selbst ist. ferngesteuerte Modellflugzeuge und Drohnen vermögen es. mit leistungsstarken Akkus lassen sie sich bei jedem Wetter bis ins nicht mehr Sichtbare lenken. wird das die Zukunft des herbstlichen Fliegens sein?
als Kind hat er darunter gelitten, dass seine gebastelten Drachen nie richtig gen Himmel stiegen. sie waren falsch konstruiert und zu schwer. sein Vater, der ihm hätte zeigen müssen, wie es zu bewerkstelligen sei, arbeitete auf fernen Auslands-Baustellen oder war daheim zu müde für eine aufregende Freizeitgestaltung. er hat sich als Sohn daran gewöhnen müssen, dass selten etwas von ihm selten aufsteigt. so finden auch heute vorzeigbare Bilder und Texte, aus welchen Gründen auch immer, wenig Widerhall. entweder sind sie zu kompliziert, zu provokativ oder zu unzeitgemäss. er ist schwer vermittelbar, seine Arbeiten sind nicht einleuchtend, weil vielen zu unverständlich. bloss Gleichgesinnte, welche über genügend eigenes Imaginationsmaterial verfügen, können und wollen sich an sie erinnern, kaufen jedoch ebenfalls nichts. er bleibt der wichtigste Sammler seiner eigenen Ein- wie Ausfälle. das hat auf die Dauer unangenehme Folgen, verursacht Amnesien und es stemmen seit einiger Zeit keine Galeristen, Kuratoren und Künstlerkollegen mit ihm Projekte. er wird einzig als Besucher-Statist zu deren Vernissagen eingeladen. dies ist alles in allem kein Grund zum Jammern, aber auch keiner, um sich zufrieden auf die Schulter zu klopfen.
eigentlich könnte er stolz sein auf das, was er nicht erreicht hat. nimmt man nichts ernst, muss man sich selber nicht ernst nehmen (schon wegen der Grammatik und aus rein pragmatischen Gründen). wer in jungen Jahren öffentliche Erfolge verbucht, leidet im reifen Alter mit abundanten Erfahrungen an einer inneren Leere. sich ewig zu toppen, geht nicht, und das Streben aufzugeben, ebenso wenig, da die Künstlerseele eine Bestätigung beansprucht. lediglich als Müssiggängern fällt es nicht schwer, die Zeit zu vertrödeln. man schiebt unliebsame Herausforderungen auf und geht Herausforderungen langfristig an.