petting des ich


(ein investigativer rückblick)

als Kind wollte ich, um Aussergewöhnliches für die Menschheit zu ersinnen, ein Erfinder werden. in meiner Generation sehr auf Fortschritt getrimmt, sehnte ich mich nach einer besseren Zukunft und stellte mir einmal vor, eine Zeitmaschine bauen zu können. mit einem an seinen Spulen frisiertem Motor, der einen Drehstuhl zum Überrotieren bringt, glaubte ich, meiner Gegenwart entschwinden zu können. leider war kein passendes Antriebsaggregat zu finden und nur ein alter Bürostuhl greifbar, der sich bereits mit der Hand schwer bewegen liess und dabei stöhnend knarrte.
meine besondere Gabe ist das Phantasieren und weniger das handwerklich Präzise, deshalb wurde ich ein bildender Künstler. in jener Profession ist es mir in reiferen Jahren mit der einschlägigen Fachliteratur gelungen, dem Phänomen Hyperraum auf die Schliche zu kommen. in zahlreichen Grafiken und Video-Animationen habe ich seine komplexen Relationen für die Imagination veranschaulicht. einen Raum mit mehr als drei Dimensionen kann niemand wahrnehmen, einzig sich vorstellen oder mit Analogien als ein mathematisches Konstrukt begreifen, insofern muss wie bei der spekulierten Zeitreise im Phantastischen verblieben werden. und dies ist gut so. wem es tatsächlich gelingen würde, über Wurmlöcher in die Zukunft zu reisen. hätte sicherlich Schreckliches zu erleben. als Mitverursacher von folgenschweren Katastrophen bekäme er bestimmt für die Eigensüchtigkeit unserer Zeit keinen freundlichen Empfang. vermutlich gibt es im Fortschreiten der Zivilisation auch irgendwann kein Künftiges mehr, einzig noch eine leere Ortlosigkeit, in der ein Zeitreisender erst recht bestraft wird. ein Abstecher in die Vergangenheit macht eher Sinn, wo technologische und politische Verfehlungen durch Korrekturen abzuwenden wären. so wie man das, was man heute schreibt, bereits vor zig Jahren hätte schreiben müssen, als eine Warnung.
in meiner Schule nannte man das zu Erwartende auf Wandbemalungen Kommunismus. dahinter lagen auf einer leicht absteigenden Linie der Sozialismus, Kapitalismus und Feudalismus. den gegenwärtigen Zustand sollten wir Schüler mit der Faktizität des Idealen toppen, das hiess vorbildlich lernen, um später mit Tatendrang in der volkseigenen Produktion zu arbeiten. der Sozialismus erflehte für seine planmässige Entwicklung unsere ganze Kraft. dass seine Bestimmung ein hohles Versprechen war, ahnte fast jeder. nur bedeutete es nicht, dass der Glaube an eine gerechte Sozietät obsolet wurde. man ersehnte eine gerechte, eine sozial emanzipierte Gesellschaft sehr. erst nach dem Ende des real existierenden Sozialismus und der Wiedervereinigung wurde es vertrackter, daran festzuhalten. die Vorstellung einer besseren Zukunft bleibt dem Menschen solange eine Hoffnung, wie er sie immanent für sich behalten kann. dreht sich das Rad der Geschichte mit technologischen Erfindungen immer schneller, sinkt die Halbwertzeit von Utopien. sie werden verbrauchte Heilserwartungen und zur Ausflucht für all diejenigen, die nur noch auf künftige Gewinnmargen spekulieren.