petting des ich


(ein investigativer rückblick)

mein erster Berufswunsch war ein komplizierter gewesen und löste ein betretenes Stirnrunzeln aus. als Fünftklässler verkündete ich nämlich kühn in einem Berufsberatungszentrum, dass ich mal ein Mammaloge werden wolle. ich hatte eifrig die Alfred-Brehm-Bände sowie einiges über Darwin gelesen und favorisierte nach jener Lektüre die Karriere eines forschenden Säugetierkundlers. das musste natürlich erklärt werden, besonders dem Berufsberater, der uns Jungen für einen Ingenieurberuf in einem Kraftwerk und die Mädchen zu einer Arbeit im regionalen Textil-Kombinat erwärmen sollte. man hatte nach seiner Überredung Einsicht in die Notwendigkeit zu zeigen und dies jährlich bis zum Schulabschluss, weil sich niemand unserer Lippen-Bekenntnisse sicher war.
Wünsche ändern sich fortwährend, werden unablässig korrigiert oder neu justiert. meine Verbundenheit Tieren gegenüber blieb indes bestehen. als Soldat päppelte ich mit Heuschrecken eine junge Schwalbe auf, bis sie flugfähig war, und im Elternhaus hatte ich mehrfach versucht, aus dem Nest gefallene Grünfinken und einmal ein verwaistes junges Eichhörnchen aufzuziehen. bei ersteren immer vergeblich, bei dem Nager gelang es mir mit Kondensmilch und Babybrei, so dass ich irgendwann mit ihm auf dem Spielplatz posieren konnte. meine Mutter war von dieser Pflege anfangs beeindruckt, doch zunehmend weniger von einem sich ausbreitenden Chaos begeistert, so dass nach einigen Wochen das gezähmte, aber keinesfalls stubenreine Eichhörnchen in eine Vogelvoliere von Bekannten umziehen musste. von dort hat es gut genährt den Weg zu seinen Artgenossen gefunden.
Städter pflegen gern Tiere, aber gemeinhin ist der Mensch für sie ein Unglück. in Berlin kann man es unaufhörlich beobachten. vielen Kreaturen geht es hier schlecht. sie werden, obzwar innigst geliebt und vorzüglich befuttert, nicht artgerecht gehalten. Katzen bekommen keinen richtigen Auslauf, Hunde ihn höchstens ein- bis zweimal am Tag, damit sie ihre Notdurft zwischen parkenden Autos verrichten. zudem sind sie überzüchtet und psychotisch. wo die Rangordnung unklar ist, wird es bei Begegnungen mit Fremden gefährlich. doch warum brauchen überhaupt so viele in der Stadt ein Tier? warum einen Vogel, der nicht fliegen darf, Kaninchen, die nicht springen können, oder ein Meerschweinchen, das alleine trübselig wird? dazumal waren es die einsamen Alten, die Bettler und Huren, die sich einen Hund oder Papagei hielten. in diesen Zeiten gehört ein domestiziertes Tier zur Standartbegleitung wie das Tattoo. ein Tier hat den menschlichen Kontakt zu ersetzen, den man in einer individualistischen Gesellschaft seltener findet. darüber hinaus verspricht es bei ausgefallenen Exemplaren einen gewissen Status. wer Exotisches sein eigen nennt, kommt voraussichtlich ins Fernsehen oder auf eine Lokalseite. deshalb müssen sogar Minischweine, giftige Schlangen, Alligatoren, Chinchillas und gezüchtete Riesenspinnen in Wohnungen leben.