petting des ich


(ein investigativer rückblick)

die linke Hand, welche die rechte streichelt und ergreift, ist sie die Ergriffene oder die Begreifende? wo das Dasein nicht in der Transzendenz eine Befriedigung findet, muss die Leiblichkeit bedient werden. als Betroffener behält man es lieber für sich und muss aufpassen, dass ein Bedürfnis nach Zärtlichkeit bei einem intensiven Kratzen zu keinen Schorfwunden führt. gesünder wäre es allemal, wie ein Siebenkäs in einer leidlichen Zweisamkeit zu leben, die ab und an kohabitierende Berührungen garantiert. der Mensch ist dem Menschen eine intime Notwendigkeit. in einer Urbanität mit vielen Singles scheint es nicht selbstverständlich zu sein und deshalb bieten nunmehr sogar Volkshochschulen neben ihren üblichen Fremdsprachkursen ein Kontakttraining an.
in grossen Städten lebt bereits jeder fünfte Volljährige für sich allein, wie die aktuelle Postille Spiegel warnt. junge Leute warten lieber auf einen Partner, der zu ihnen passt und ihrem imaginierten Status entspricht. es muss ein gefälliger Traummann oder eine gutaussehende Vorzeigefrau sein, und die Toleranteren unter ihnen verlieben sich immerzu in den falschen Abschnitts-Gefährten oder bleiben bindungsängstlich zwischen dem Bedürfnis nach Autonomie und einer Sehnsucht nach Nähe befangen. für diejenigen unter ihnen, welche nicht auf einen gelegentlich belebenden Orgasmus verzichten wollen, werden unzählige Abendtermine angeboten. fast jedes Kulturprogramm, jede Party und zahlreiche Internet-Portale werben mit einem Flirtversprechen. nicht mal Kochkurse sind einfach nur noch Kochkurse, sondern potentielle Fun-Events für Alleinstehende, die einen Anschluss suchen. ich habe solches nie beansprucht und war die meiste Zeit meines Lebens mit liebenswerten Frauen liiert. und wenn nicht, habe ich mich spätestens nach einem Monat wie eine fensterlose Monade gefühlt.
es gibt jedoch Stunden oder Tage, da wird nichts und niemand ertragen, kein Lärm und keine Kommunikation. in solchen Phasen ist es ein Genuss, in der Stille mit sich eine Intensität zu sein. das Alleinsein kann dann als eine Lebenskunst erfahren werden, die als ein solitäres Sein wie ein Brillant Glanz ausstrahlt. damit der Nimbus nicht verblasst, braucht es freilich ab und an ein Publikum. die Vereinzelung erquickt nur, wo sie jemand selbstbestimmt führt und jederzeit beenden kann. schöne Aktricen und Opern-Diven wissen dies, sie überzeugen solo in die Öffentlichkeit, der ihr intimer Spiegel ist. jenseits der Glamourwelt lassen sie sich unbeachtet richtig gehen. es ist eine verzeihliche Sünde. jeder braucht sie wohl mindesten zwei bis drei Stunden in der Woche, um für seine Mitmenschen erträglich zu bleiben.