petting des ich


(ein investigativer rückblick)

unzählige Stunden verbringt jeder wartend in seinem Leben. würde man sie zusammenzählen, ergäbe sich eine ziemlich lange Warteschleife. Soziologen, die es mit Statistiken ermittelt haben, meinen, dass ein Mensch durchschnittlich fünf Jahre auf diese Weise vergeudet. doch es müssen mehr sein, da täglich auf irgendeine Bahn, eine Verabredung oder den Servicedienst einer Hotline zu warten ist und zwischendurch auf die Mittagspause, den Feierabend und in der Schlange vor der Kasse. auch wenn der Tag optimal geplant wird und alle sich daran halten, kann ein unkalkulierbares Restrisiko jeden Rhythmus durcheinander bringen. das Ausharren ist eine tote Zeit, die überbrückt werden muss und mit der sich nichts Zuträgliches anfangen lässt. somit wird immerdar und sogar im Urlaub gehofft, dass die Zeit vergeht, damit sie erneut in die gewohnte Relation kommt.
befindet er sich im Leerlauf, kommt er auf die dümmsten Gedanken und stellt seltsame Fragen. besonders schwierig sind Sinnfragen auf einem zugigen Bahnsteig zu ertragen, wo man das weite Schienenfeld vor Augen hat und Löcher in die Luft starrt. er meint dann womöglich zu wissen, dass es in einem Leben überhaupt nur Leerzeiten gibt. aber die Pausen im steten Verkehr sind ja gar keine Auszeiten, kein Schweigen und kein unvermitteltes Nichts, sie werden immer sogleich gefüllt. das Gehirn muss seine Takt-Frequenz unentwegt mit der Umwelt synchronisieren. um nicht aus der Welt zu fallen, wird die freie Zeit bei ausbleibender Beschäftigung mit Ablenkungen überbrückt, vorzugsweise durch fernmündliche Interaktionen. dafür hat jeder ein Handy parat. es kann überall mit irgendwem nicht Anwesenden, der nebbich zu viel Zeit hat, geplaudert oder gechattet werden. so wird das Reisen erträglicher. tatsächlich wartet man nicht, man wartet permanent ab, auf das sich etwas ändere oder anderes ergäbe. und es ist tröstlich zu erfahren, dass es vielen so geht. das beruhigt ungemein und schafft eine Verbundenheit, in der ein banales Hier und Jetzt leichter zu erdulden ist.
der Mensch beanspruchte eine Million Jahre, um den aufrechten Gang zu erlernen, und 500.000 Jahre um den Mond betreten zu können. für den nächsten grossen Schritt ist es wohl nötig, sich eine weitere Weile zu gedulden. technische Innovationen, die momentan als Weichenstellungen für die Zukunft angekündigt werden, sind im nächsten Jahr bereits veraltet. man muss sich nicht fortwährend das neueste Equipment anschaffen und auf dem Computer kontinuierlich Update installieren. das Rad wird zu oft neu erfunden, damit es sich rasanter dreht, also lediglich optimiert, wo Menschen intensiver malochen sollen. allerhand verdankt sich auch nur einer Wiederentdeckung, wie das jetzt favorisierte Elektroauto, welches anno 1900 deutlich stärker vertreten war als die benzinbetriebenen. in Kinderbüchern hatte man seiner Generation eine Urlaubsreise durch ferne Galaxien und ein friedliches Miteinander auf dem Heimatplaneten versprochen. es sollte ein greifbar besseres Leben in einem technologischen Schlaraffenland sein.