petting des ich


(ein investigativer rückblick)

als Spätentwickler erlernte er das Schwimmen erst mit neun Jahren und wäre, als er es leidlich konnte, beinahe in einem Baggersee ertrunken. das Schicksal hat ihm noch eine Chance gegeben, so dass er sich mit Hilfe eines Freundes und letzten Kräften an eine alte Pump-Anlage rettete. man muss halt ein bisschen Glück haben und darf in heiklen Momenten nicht aufgeben. in der Schule wurde mit jenem Glauben manche Prüfung sehr gut bestanden, da heikle Aufgaben improvisierend lösbar waren. die anständigen Lehrer haben wohlwollend den guten Willen und das Kombinationsvermögen ausgezeichnet, anstatt auswendig Gelerntes.
ist das Leben unsicher, hat man zu lavieren oder wie beim vergnüglichen Tanz auf dem Parkett schwungvoll durchzuschwofen. wo Regeln nicht verbindlich zu bedienen sind, heisst es sich durchzuwurschteln, was mit einem Durchmogeln nichts gemein hat. es stand als Improvisationskunst sogar beim preussischen Militär hoch im Kurs. hier befürwortete kein geringerer als General Clausewitz die Anpassungsfähigkeit als eine unentbehrliche Pflicht des Heeres. statt starrer Schlachtkonzepte empfahl er Entscheidungen je nach Lage der Friktionen. er hatte die Kühnheit, öffentlich zu bekennen, dass ein improvisiertes Handeln jeder schematischen Festlegung überlegen sei. mancher Politiker hat sich in unserer Gesellschaft das Improvisieren einseitig zur Maxime erhoben und laviert dann bei Entscheidungsprozessen. ist es in Krisenzeiten angebracht, eine unpopuläre Entscheidung zu fällen, wird der Status quo verteidigt, um sich Hintertüren offen zu halten. so bleibt das Regierungsgeschäft für viele Seiten erträglich und ein nötiger Kurswechsel aus. das Wahlvolk honoriert solches bereitwillig, da es will, dass wenn es nicht gleich besser werden kann, zumindest bleiben soll, wie es ist. selbst bei einer verinnerlichten Wirtschaftsflaute erscheint ihm die gegenwärtige Lage als die denkbar beste.
seine Ansprüche möchten auch, dass nichts verloren geht, damit das Wesentliche fortdauert. mit dieser Haltung ist er nicht fortschrittsfeindlich, sondern progressiv gesinnt ein Konservativer, der weiss, dass Veränderungen nur mit bleibenden Prätentionen zu halten sind, und falls zu viel zum Mittelmass herabsinkt, schlimmstenfalls kein Stein auf dem anderen bleibt. die Zukunft ist nicht mehr das zu erstrebend Offene. jede integer gemeinte Vision wird von einem skeptischen Problembewusstsein in Diskussionen zermahlen. religiöse Fanatiker und autoritäre Populisten profitieren von ernüchternd trüben Aussichten und preisen doktrinär Rückwärtsgewandtes als Entschlossenheit an. die Unterlegenen und Benachteiligten wollen keine radikalen Reformen oder umstürzlerischen Revolutionen, allenfalls ein evolutionäres Fortschreiten, das für sie ein erträgliches zu sein hat. doch irgendwann werden sie einen Heissluftballon benötigen, um dem zu entfliehen.