petting des ich


(ein investigativer rückblick)

wer wenig an seinem Schreibtisch zu stemmen hat, benötigt eine Hantel oder ein Fitness-Studio in der Nachbarschaft. die Muskeln erschlaffen womöglich und können bei einer abrupten Anforderung nichts rechtes wuchten. sie sollten wie das Herz und der Kreislauf beständig beansprucht oder künstlich gefordert werden. die Römer verbrachten ihre Zeit irgendwann ausnahmslos liegend, sogar beim Essen und Disputieren verblieben sie in der bequemen Horizontalen. eine solche dekadente Haltung muss den Untergang ihres Imperiums beschleunigt haben. als mit Alarich die Barbaren in Massen aus dem Umland herbeiströmten, war ihr Reich trotz überlegender Kriegstaktik und effizienter Verwaltung nicht in der Lage, sich angemessen zu verteidigen. unfähige und zu junge Kaiser haben den Verfall noch beschleunigt.
jede Hochkultur ist dieser Gefahr ausgesetzt und unsere wegen ihrer Abhängigkeit von einer Technik, die neben den Muskeln auch das Denken erschlaffen lässt, besonders anfällig. um den Kopf fit zu halten, lösen Rentner Kreuzworträtsel oder Sudoku. solche Aktivitäten bewahren angeblich vor Alzheimer. sein Hausarzt meint, dass dem nicht so sei, denn Gehirnjogging könne geradezu negative Auswirkungen haben, falls die grauen Zellen immer wieder an Aufgaben scheitern. tatsächlich muss es nicht dazu kommen, da jeder die Auflösung mit seinem Handy ermitteln kann. entweder ist man überfordert oder unterfordert, da nur noch in einer Simulation gefordert. selbst der Profi-Sport geht bizarr befremdliche Wege. die letzte Winterolympiade wurde mit gebunkertem Schnee im subtropischen Sotschi ausgetragen und die übernächste Fussball-WM soll im Wüstenstaat Katar ausgeschwitzt werden. die Organisatoren sind sich noch nicht einig, ob im schwülen Winter oder glühenden Sommer. doch es muss nicht unbedingt ein gross in Szene gesetztes Event sein, das für Schlagzeilen sorgt. allerorten sind phantastische Rekorde zu vermelden. im vergangenen Jahr schaffte es eine Dänin gleich 366-mal, den Marathon zu laufen. ergo an einem Tag, was für eine Verschwendung von Energie und Ausdauer, mithin zweimal.
in seiner Schulzeit wurde viel Zeit für Fahnenappelle vergeudet. sie sollten selbst im Nieselregen schwungvoll auf das Lernen einstimmen und das politische Bewusstsein stärken. es war allerdings ein vergebliches Unterfangen. erfolgreicher stimulierte er sich als Student mit einem morgendlichen Kaffee in den Tag und jetzt mit einem aromatisierten Schwarztee, welcher magenschonend aktiviert. die Ansprüche werden kleiner und feiner. man nimmt Rücksichten nicht nur auf eigene, sondern auf andere Bedürfnisse, vor allem auf Wunschvorstellungen, die man nicht versteht, und schweigt, wo man es nicht besser weiss oder nicht wissen will. gegen Plan A hilft Plan B, und falls nicht, dann der clevere Plan X oder Y. das einzig sichere ist, dass nichts sicher ist. aber nicht einmal das ist sicher. manche Erkenntnisse sind so banal, dass man sie nicht wieder loswird.