petting des ich


(ein investigativer rückblick)

für die Ordnung ist das Ordnungsamt zuständig, für das Durcheinander die Chaosforschung. er bevorzugt die produktive Unordnung und muss manches geduldig suchen. ist er dabei erfolglos, wird improvisiert. häufig läuft er deshalb mit zwei verschiedenen Socken durch den Tag. gut ist es, alle in der gleichen Farbe und insgesamt weniger zu besitzen, so behält man leichter die Übersicht. das gilt notabene für Bekanntschaften. werden es zu viele, verliert er den Bezug und unterlässt auf der Strasse das Grüssen. günstigstenfalls wird es verziehen oder es reicht ein Zunicken, weil ausser kulanten Floskeln sowieso nichts zu sagen wäre.
die Toleranten haben Verständnis dafür, dass jemand ganz für sich sein will, um etwas auszubrüten. rücksichtslose Leute rufen schon in der Früh an. sie wollen vor neun Uhr eine Auskunft oder ordern einen Termin mit ihm, obschon jeder weiss, dass ein kreativer Tagesfron in Ruhe zu beginnen ist. festangestellte Kulturamtsleiter und Kuratoren haben es vergessen. sie langweilen sich lieber in den letzten Stunden bis zum Feierabend und wollen, auch wenn nichts eilt, das Vorliegende umgehend koordiniert haben. ignoriert wird, dass ihre Zulieferer bis weit nach Mitternacht arbeiten und tagsüber sinnieren, um ihr Pensum sukzessive anzugehen. ohne langwierige Vorbereitungen und ausdauerndes Warten sind keine Triumphe in der Kunstproduktion zu erzielen. das Beste beruht nicht auf Fleiss oder einer genialen Eingebung, es muss langwierig eruiert werden und gelingt erst, wenn kein Telefon klingelt und im Radio weniger zu sagen ist, also in der Nacht.
er beruft sich bereitwillig auf das Zufällige. für grosse Würfe gibt es keine Patentlösungen. wer das Ausserordenliche sucht, muss einiges ausprobieren und damit leben, dass sich vieles als Fehlschlag entpuppt. nur ein unvermutet zufallender Geistesblitz kann dann die verlorene Mühe kompensieren. sogar Becket und Joyce haben, obwohl sie sehr innovativ experimentierten, aus heutiger Sicht lediglich an Oberflächen laboriert. die Hybris darf radikaler sein und Vorbilder überbieten, auf dass sie wieder überboten wird. so lange artifizielle Wucherungen sinnfällige Muster hervorbringen und wie die bunten Glassplitter in einem Kaleidoskop ins Unendlich variieren, bleibt das Imaginäre offen. bloss wem nützt und bedeutet es etwas? hat jeder Wucherndes mitzuteilen, wird es unwahrscheinlicher, dass solches bestaunt wird. nichtsdestotrotz rackert man weiter, sich unaufhörlich weiter ab. bei einem wachsenden Mitteilungsdrang als öffentliche Notdurft wird es immer unwahrscheinlicher, dass so parenthetische Zeilen wie jene hier jemals aufmerksam gelesen werden. wer für exklusive Ansichten ein breites Publikum zu finden hofft, könnte ebenso Lotto spielen und viel Geld mit wöchentlichen Tippscheinen verprassen. mit Übertreibungen oder banalen Eindeutigkeiten wird der Kreative in oszillierenden Netzwerken erhört, nicht durch Mehrdeutigkeit bei einem andauernden Elfmeterschiessen in einer unhaltbaren Nachspielzeit.