petting des ich
es mehren sich Familien, die mit ihrem Einkommen als arm eingestuft werden. Polemiker erheben mit Statistiken die Pauperität auf ein stetig höheres Niveau, wenn sie eine wachsende Kluft zwischen Gut- und den Schlechtverdienenden interpretieren. sie müssten ebenso definitiv konstatieren, dass Menschen mit zu wenig Büchern als geistesarm gelten. in einen Haushalt gehört schliesslich, dieweil dauernd was nachzuschlagen und wieder zu lesen ist, ein Mindestkontingent an Belletristik, Lyrik sowie Geisteswissenschaftlichem. als Wissensbank sollte eine angemessene Bibliothek jedes Zuhause zieren und mit den Lebensjahren wachsen. die demokratische Zivilgesellschafft kann mit solch einem Besitzstand ganz individuell gegen die Flüchtigkeit von online-Recherchen verteidigt werden. am besten ist gleich in frühen Jahren mit dem Sammeln von Büchern zu beginnen. als Grundstock wäre die Schulpflichtlektüre vom Nibelungenlied über die Weimarer Klassik bis zu den beiden Manns zu empfehlen. sie sollten in soliden Bänden gekauft werden, um sie später, wenn man sie mit eigenen Erfahrungen verbinden kann, noch unzerfleddert bei der Hand zu haben.
so hat es jedenfalls bei ihm angefangen. den ledergebundenen Koryphäen der abendländischen Kultur folgten zeitgenössische Autoren, wortgewandte Philosophen des Poststrukturalismus und divers weniger Gehaltvolles, während er unaufhörlich auf der Suche war und Entdeckungen nicht nur im Kanon der Weltliteratur erhoffte. gekauft wurde mit einem immensen Bildungshunger in Antiquariaten das, was die Neugierde ausserhalb von aktuellen Bestseller-Listen ansprach. das tägliche Lesen wollte sich mit einem unabschliessbaren Weiterlesen fortpflanzen. er war bei seinen Buch-Einkäufen nie geizig, weil er davon ausging, dass Wissen eine dauerhafte Investition sei. infolgedessen haben sich neben literarisch-bibliophilien Raritäten ebenfalls dicke Lexika, profane Sachbücher und eitle Ausstellungs-Kataloge angesammelt. sogar eine arabische Grammatik nebst Wörterbuch wurde in der Hoffnung auf eigene linguistische Studien angeschafft.
seine Bibliothek, die sich im Laufe der Jahre auf über 3000 Bücher aufblähte, weiss solche Auswüchse freilich zu relativieren. wie ein Fotoalbum archiviert sie einen Bildungsweg als den eines viel sowie quer Lesenden. zum Glück gab es in seinem Leben öffentliche Bibliotheken und Buchläden, in denen er Neuerscheinungen durchschmökern konnte. hätte er sich alle Bücher, die er bisher gelesen hat, selber kaufen müssen, wären weitere Wände in seiner Wohnung mit Regalen verstellt und das Arbeitszimmer labyrinthisch verbunkert. dennoch hängt ihm sein jetziger Bestand wie ein Klotz an den Beinen. er zwingt zu einer Sesshaftigkeit, die seine Umtriebigkeit einengt. die Erinnerung an den letzten Umzug in seine derzeitige Behausung unter einem Dach und ohne Fahrstuhl war Abschreckung genug.