petting des ich


(ein investigativer rückblick)

in seinem Leben hat er bereits einige Stühle durchgesessen, Festplatten festgefahren und nachhaltig Zukunftsträume vernutzt. ein solcher Verschleiss ist selbstverschuldet und zu verkraften. anders ist es bei technischen Geräten, die nach dem Kauf in verdächtig kurzen Abständen den Dienst aufkündigen. sie werden, auf dass sie nicht zu lange funktionieren, mit mangelhaften Bauteilen ausgestattet. der technische Fortschritt will auf dem neuesten Stand gehalten werden und die Wirtschaft einen kontinuierlichen Absatz verbuchen. der Konsument muss immer wieder Neues kaufen und darf seine Ansprüche nicht am vertraut Gewohnten fixieren. dies gilt gleichfalls für die eigenen vier Wände. wer zu lange in einer Mietwohnung lebt, muss sie irgendwann nicht bloss streichen, sondern komplett neu tapezieren und allerlei handwerklich ersetzen.
nichts ist von Dauer, nicht einmal die Dauer selbst, wenn alles beschleunigt wird. das hypermoderne Individuum hat sich upzudaten, sonst wird es lebensfremd ein langweilender Nostalgiker. der aufmerksame Zeitungsleser weiss, dass er in einer Phase anhaltender Potenzierungen und Krisen lebt. man wird mit Unmengen von Informationen und schockierenden Bildern eingedeckt, ohne für sie noch zuständig zu sein. somit bleiben die täglichen Nachrichten zumutbar. ähnlich muss es Politikern gehen, falls schwerwiegende Entscheidungen zu fällen sind, für die sie immer weniger Zeit zum Nachdenken haben. sie erhöhen sich frivol in den Parlamenten ihre Diäten, um die Kritik des Wahlvolkes zu kanalisieren. man will lieber für privilegiert und berechnend als für sachlich inkompetent gehalten werden. jedoch letzteres wäre als Vorwurf eher zu entschuldigen. entfalten sich Konjunkturen in exponentiellen Kurven, wachsen die Unwägbarkeiten und werden besonders bei nachhaltigen Prozessen unlösbar.
Gott verkürzt und vereinfacht etliches, bevor das Weltende heranbricht. dies hofften jedenfalls die Christen in den ersten Jahrhunderten ihrer Religion. sie wollten das jüngste Gericht selbst erleben und nicht als Verweste in den Himmel kommen. seitdem fast niemand mehr daran glaubt, wird das Prognostizierbare komplizierter und das Komplizierte auf die lange Bank geschoben. es ist selten entscheidbar und langfristig schwerlich kalkulierbar. pfiffige Ökonomen meinen, dass sich trotz wachsender Schuldenberge eine prosperierende Volkswirtschaft wie Münchhausen irgendwann selbst aus der Misere ziehe, oder wie Walter Ulbricht in der DDR erklärte, sich überhole, ohne sich vorher einholen zu müssen. manche fragwürdige Industrie wie der Atomstrom wird wieder wichtig und Brückentechnologie genannt, obgleich künftigen Generationen unwiederbringlich Lebensräume entgehen. es muss tüchtig vorangehen und immer schneller produziert werden. man wird davon überfordert. nie jedoch, alldieweil man es gar nicht versteht, richtig gefordert. der nach Sinn suchende Mensch ist so klug wie ein Rad, das tatsächlich ein Hamsterrad ist.