petting des ich


(ein investigativer rückblick)

es gibt immer mehr Abmahnanwälte. sie spekulieren darauf, dass Menschen kostenlos Musik hören und umsonst Filme schauen wollen. die Verführung ist gross, wenn Medien-Dateien permanent hin- und hergeloaded werden. in den wilden Zeiten der Rock- und Popmusik schnitten viele auf dem Kassettenrekorder das gerade Angesagte im Radio mit und hofften, dass der eloquente Moderator nicht hineinredete. wer es sich leisten konnte, sammelte teure Schallplatten und reservierte den entsprechenden Platz in breiten Regalen. die kleineren, weniger haltbaren CD's waren später keine Alternative. der Musik-Fan hatte sie entweder für viel Geld zu erwerben oder von irgendwem aufwendig zu kopieren. einfacher geht es heute mit den oszillierenden Angeboten im Internet, auf die jeder mit einem Maus-Klick zugreifen kann. sie werden für ein künftiges Geniessen en masse auf Festplatten gehortet.
das freut natürlich Anwälte, welche bei solchen Gesetzesverstössen viel Geld verdienen. jetzt sogar mit dem angeblich illegalen Glotzen von schmuddligen Internet-Pornos, die bislang anonym und per se kostenlos waren. viele Downloader sind sich zwar bewusst, dass der Raum des digital Vernetzten trotz seiner anarchischen Struktur nicht rechtsfrei ist, aber insgeheim hoffen sie, dass es so sei. man kann zwar auf Webseiten behände etwas entwenden, allerdings nie oder nur mit erheblichem Aufwand unbeobachtet. der passionierte Jäger sammelt trotzdem, was er kriegen kann, damit er es abrufbereit parat hat. gleichfalls der Liebhaber von abgelaufenen Fernseh-Serien, um sie in aller Vollständigkeit zu speichern. empfohlene Filme werden nicht mehr in Kinos oder synchron mit der Masse vor dem Fernseher konsumiert, sondern zu Hause in trauter Einsam- oder Zweisamkeit beschaut. für diese Intimität wurde schliesslich ein teurer Flachbildschirm angeschafft.
wer Bücher kostenlos lesen will, muss in öffentliche Bibliotheken gehen oder, falls es aktuelle sein sollen, sie bei Filialisten wie Hugendubel oder Dussmann in einer Sitzecke niessbrauchen. er praktiziert es seit Jahren so und hat dadurch nicht nur die Geldbörse geschont, sondern auch Platz im Bücherregal gespart. die Vision, geistige Ressourcen zu teilen und unentgeltlich verfügbar zu haben, ist bereits heute machbar. man muss nur wissen wo. kommerziellen Anbietern, die nach dem grossen Umsatz streben und das Gros der Autoren dabei verarmen lassen, widerstrebt solches. darum werden e-Books mit kaum hackbaren Codes online vertrieben. clevere Menschen verschaffen sich dennoch Zugang und können umsonst eine Bibliothek in der Aktentasche mit sich herumtragen. er hat sich lange Zeit manche Wunschlektüre aus Büchern Seite für Seite kopiert und für ein zukünftiges Lesen in Ordnern abgeheftet. mit jenem Fleiss wollte er sich ein umfangreiches Wissen sichern. die gehorteten Textsammlungen haben freilich lange ein eingestaubtes Dasein gefristet und wanderten nach und nach in den Keller, wo sie ihm kein schlechtes Gewissen mehr aufdrängen.