petting des ich


(ein investigativer rückblick)

seit Jahren kann er in seiner Familie verhindern, dass ein Geschirrspülautomat angeschafft wird. er besteht auf das manuelle Spülen und Schrubben, sogar bei fett verkrusteten Pfannen. beim Abwaschen hat er wie seinerzeit Heraklit am Backofen seine waltenden Einfälle. leider gibt es nicht immer schmutziges Geschirr, so Erleuchtungen vonnöten sind. kreative Blockaden erfordern dann andere ablenkende Manöver wie das Fernsehen, Schachspielen, Duschen oder die Beschwichtigung: falls heute nicht, dann vielleicht morgen bzw. übermorgen. sollte alles nicht fruchten, müssen gesammelten Ideen abgearbeitet werden. es ist ein leidiges Unterfangen. man darf sich davor nicht drücken, muss die Spreu vom Weizen trennen und etliches lange polieren, auf das es zu Grossem heranwächst, also zu einer Serie von vorzeigbaren Bildern.
jener Aufwand steht in keinem Verhältnis zu der Mühe, die Leute investieren, falls sie seine Arbeiten bereitwillig loben. für gewöhnlich wollen sie nicht viel sehen, obwohl er ein richtiges Oeuvre vorzuweisen hat. es könnte rapide veni, vidi, cucurri betrachtet und beurteilt werden, so wie es in Museen üblich ist. wer vor seinen angehäuften Lebenswerken jeweils zehn Sekunden verweilt, müsste höchstens eine Stunde einplanen. bei nur fünf Sekunden pro Bild würden 34 Minuten ausreichen. Begutachter, welche jene Zeit gelegentlich aufbringen, wollen jedoch, dass er als Gegenleistung ihre Arbeiten ebenso besichtigt und dies nach dem Motto: wenn dir das gefällt, was mir gefällt, dann wird mir gleichermassen das gefallen, was dir gefällt.
damit haben sie natürlich recht. es muss hart um Aufmerksamkeit gebuhlt werden. man bekommt zu viel Künstliches angeboten, so dass man es freiwillig nicht en masse sehen will. gleichwohl werden weltweit, um einem von kreativer Kultur verstopftem Zeitgeist weiteres Material hinzuzufügen, neue Biennalen gegründet, fortlaufend Galerien und Museen eröffnet. Künstler müssen dafür verstärkt Aktuelles produzieren und entweder formal oder informell provozieren, auf dass sie überhaupt wahrgenommen werden. um aufzufallen wird sogar in Performances der Hitlergruss oder ein sexueller Missbruch gezeigt. dabei überzeugt ketzerisch Aufrührerisches allein in einer Diktatur. sie nimmt die Kunst ernst, zwingt sie zu deutlichen Zweideutigkeiten. in einer liberal befriedeten Gesellschaft wird nur dem Auge stetig mehr zugemutet. die Pupille schärft sich, obwohl der Hunger auf Bilder längst gestillt ist, und somit entdeckt der Kulturgänger bei sinkender Neugierde in Ausstellungen kaum Überzeugendes. was man alles jetzt vorzeigt, hätte man vor Jahren präsentieren müssen, als Abschreckung vor einer zu erwartenden Überproduktion. so bleibt einzig die Erkenntnis: nicht das System an sich, sondern seine Varianten behaupten ständig Ideale, die nicht weiterhin in einem erforderlichen Idealismus aufgehen.