petting des ich
der Geist ist willig und die Muskulatur nicht. das andauernde
Sitzen vor dem Computer hat den Rücken verspannt. die Haltung stimmt nicht
mehr und darüber hinaus hat eine Anspannung, das anhaltende Warten auf Eingebungen,
auch manch anderes
verkrampft. um dies festzustellen, musste er sich eine steife Schulter durch
eine Entzündung zuziehen. adhäsive Kapsulitis nannte es ein Arzt, ein
anderer frozen shoulder. alles Sehnige sowie Muskulöse verkürzte sich, während das
Gelenk blockiert blieb, in diesem Bereich leidlich. da es mit der Diagnose
und korrekten Behandlung dauerte, war einige Zeit wenig zu meistern. monatelang
musste er seinen Oberkörper, um ihn wieder in die rechten Verhältnisse zu setzen,
mit Gymnastik dehnen und die Bizeps an Bändern kräftigen.
seitdem sieht er seinen Leib mit anderen Augen. es
wird fleissiger Sport getrieben und ansonsten, wenn nicht jedes, so zumindest zu
Anstrengendes aufgeschoben. er arbeitet nicht
weniger, nur langsamer und mit einer gebührenden Distanz nachhaltiger. die
Ernährung hat er auf leicht Verdauliches umgestellt. übertrieben
wird die diätische Lebensweise nicht, eher mit Genuss distinguiert. seltener
kauft er scheintotes Fleisch aus der Kaufhalle und häufiger scheinlebendig
Pflanzliches vom Biomarkt. dafür ist er bereit, tiefer ins Portemonnaie
zu greifen. ein Gesundheitsapostel empfahl ihm mal, zur Stärkung der Abwehrkräfte
morgens den mittleren Strahl von meinem Urin zu trinken. er bevorzugt lieber
bei einem zugesicherten Reinheitsgebot das Bier und im Winter gelegentlich
einen Wodka. wegen einer nachlassenden Zielgenauigkeit wird danach freiwillig im
Sitzen gepinkelt und statt einem starken Kaffee der schwarze Tee beim Frühstück
bevorzugt. das Alter entwickelt mit einer Selbstverständlichkeit Einsichten, die
der Geist nicht immer versteht. damit der Bierbauch nicht ins Peinliche wächst,
gibt es irgendwann bloss noch ein Feierabend-Pils oder einzig roten
Wein, um die Durchblutung zu befördern.
in seinem Spätwerk "Ecce homo" stellt Nietzsche die Ernährung, das Klima und die
Erholung als Kasuistik der Selbstsucht über alles. konsequent umgesetzt hat er
solche Einsichten kaum oder es nutzte ihm wenig, weil er einen kränkelnden Körper
amor fati überstrapazierte. bis zum Zusammenbruch am Hals eines Groschengaules wurde eher beharrlich
mit Haschisch und anderen Drogen ein Kopfschmerz kuriert. als Meister der Sprache hat
Nietzsche es geschafft, immerhin sein Denkwerk vor der völligen Verausgabung fertigzustellen. wer
sich sein Leben lang schont, hat am Ende zu wenig
erreicht und muss dann unbefriedigt das akzeptieren, was nach Horaz als die eine Nacht jedem
ohnehin bevorsteht. sie lässt sich zwar bei einer besseren Haltung und mit anhaltender
Gleichförmigkeit aufschieben, so dass der Alterungsprozess später beginnt und
eintöniger andauert. sollte die biomedizinische Forschung recht behalten, in
absehbarer Zeit sogar sehr viel länger.