petting des ich
für was man inzwischen alles Werbung macht, und mit was für einen Aufwand. in seiner Kindheit
genügte es, auf zu Kaufendes in grauer Rasterung in Zeitungsannoncen hinzuweisen. die
Publicity war pure Information und die Vorstellung von einem Lifestyle-Leben noch
unpopulär. irgendwann wurde es farbig, bunter und schliesslich
grell-bunt. der Mensch mag es offensichtlich derart am liebsten und dies schon seit
der Antike. lange Zeit glaubte man, dass die überlieferten
Plastiken und altertümlichen Bauwerke bescheiden ohne jegliches malerisches Dekor als
nüchterner Stein Behagen verbreiteten. die Kunst jener Epoche wurde mit einem
Nimbus gesehen, der sie allem Sinnlichen entrückte und näher dem Geist als der
profanen Anschauung zuordnete. tatsächlich neigte die Antike zu einer
Sinneslust, wie sie uns Heutigen vertraut ist. das Plastische war im alten Athen,
wie neue chemische Analysen belegen, eine
überwältigende Inszenierung von Farbpigmenten und anderem Dekor, welche jedem
Blickwinkel ein polychromes Spektakel boten.
der private Oikos bevorzugte es bestimmt als Pendant schlichter.
vielleicht so wie in seiner Wohnung, wo weiss gestrichene Wände, wenn sie nicht
mit Bücherregalen verstellt sind, die Illusion von Weite suggerieren. weniger erscheint
als mehr und feiner eingerichtet. für gehobene Ansprüche
hat die Luxus-Reklame auch das minimalistische Arrangement wiederentdeckt und greift auf
schwarz-weiss-Kontraste zurück. das wirkt dezent und wird als Distinktion
gern gekauft. Kinder mögen ihre Bücher sowie Web-Angebote gleichfalls einfach
gestaltet. aber solange sie es nicht artikulieren können, wird es für sie
bunt bleiben. wegen der Zunahme an medialen Offerten muss sich alles heftiger durchsetzen. übersteigen Angebote die Möglichkeiten
der Nachfrage, wird der Kampf um die knapper werdende Ressource Aufmerksamkeit
massloser. ein solches Dilemma führt zu den trickreichsten Strategien. es werden
ständig neue Erwartungen geweckt und knallige Überraschungen angekündigt.
für manche Dinge ist es freilich besser, dass es keine Werbung gibt, nicht einmal
persönliche Empfehlungen. sein lange Zeit bevorzugter
Lieblingssee Liepnitzsee wurde, nachdem dieser in aller Munde war, geschwind
ungeniessbar. als ihn die bunten Stadtmagazine wegen seines klaren
Wassers und ruhigen Ambientes als ein Naturparadies angepriesen hatten, war hier nichts mehr klar und
ruhig. ähnlich ergeht es diversen Kneipen in Berlin, wo man
beschaulich und gesellig abends abhängen will. wenn sie den Status Szene-Kneipe
bekommen, ist es baldigst überfüllt und anonym. die Inhaber finden grösseren
Andrang wegen einem steigenden Umsatz meistens gut. doch die Alteingesessenen müssen
flüchten und, wenn die Stadt weiterhin für den internationalen Tourismus zu einem
Mythos verklärt wird, allein zuhause ihren Alkohol konsumieren. aus Gründen des
Artenschutzes wird niemals mehr verraten, wo er gern badet und sein Bier trinkt.