petting des ich


(ein investigativer rückblick)

einen Urlaub verreisen mag er nicht mehr. die Gefahr ist gross, in überbelegten Landstrichen zu stranden, wo der Lebensunterhalt doppelt oder dreifach zu alimentieren ist. als Tourist kommt der Fremde kaum noch in den Genuss einer bukolischen Gastfreundschaft, er ist ein dröger Konsument geworden, welcher für den grössten globalen Wirtschaftszweig wachsende Gewinnspannen zu generieren hat. warum also weiterhin in die Ferne flüchten, als pauschaler Klimaschwindler im frostigen Winter nach Tunesien, Sri Lanka, Thailand und dann im heissen Sommer nach Skandinavien fliegen? in einer Welt der alles abbildenden Medien kennt man vorab jegliches und weiss, dass eine erkundbare Fremde ihrer exzellenten Visualisierung schwerlich entspricht. bezaubernd Schönes findet sich zu Hause in glänzenden Fotobänden oder Naturfilmen, in angepriesenen Urlaubsparadiesen sind es übervölkerte Strände, dröge Hotels oder ordinäre Pensionen.
da allerdings das gesetzte Hiersein bisweilen ein fernes Dortsein als die Erholung vom Alltäglichen erheischt, ist ab und zu ein längerer Ausflug zu wagen, bei dem es vor allem darum geht, sich danach zu Hause wieder wohler zu fühlen. lange Zeit ist er jeden Sommer mit einer preiswerten Bahn-Karte via Budapest nach Rumänien gefahren, und einmal auf einem illegalen Umweg über Kiew. der Rucksack wurde mit dem Nötigsten gepackt, das Reisegeld umgetauscht und dann ging es los. das war billig, abenteuerlich und zugleich eine spannende Horizonterweiterung, die nach dem Mauerfall mit einem alten Wartburg oder per Flugzeug in den Länder Westeuropas ihre Fortsetzung fand. es galt etliches nachzuholen und das Weltverständnis zumindest auf dem eigenen Kontinent empirisch abzugleichen. inzwischen reicht es ihm zwei Wochen die stadtverpestete Lunge mit Frischluft frei zu atmen und dafür in der einheimischen Natur mit ihrer vertrauten Flora zu verweilen.
etymologisch geht ein Urlauben auf das althochdeutsche urloup zurück und bedeutet schlichtweg Erlaubnis. in der höfischen Zeit ersuchten mit jenem Wort alte Ritter ihren Lehnsherren um die Befugnis wegzugehen. nun sind es scharenweise die angestellt Arbeitenden, welche sie immerfort beantragen und wiederkehren müssen. ihre Reise hat sich zu lohnen, damit sie etwas zu erzählen haben und regeneriert erneut im Arbeitstrott bestehen. ergo wird die pauschale Rundumversorgung mit stimulierender Animation und von den Älteren eine bequeme Kreuzfahrt bevorzugt. aber insgeheim sehnt sich der Urlauber nach stillen, abgeschiedenen Landschaften, wo er an einem Strand ganz an und für sich bleibt, was weiland das Schicksal von Schiffbrüchigen war. oder es wird eine richtige Wüste begehrt, um das Gefühl einer stressfreien Leere zu inhalieren. wer sich urbane Abenteuer zutraut, versucht mit Reiseführern wie Lonely Planet die Welt als Globetrotter authentisch zu bereisen. schnell wird dabei vergessen, dass es eine originär zu erlebende Welt gar nicht mehr geben kann. ohne diese Illusion wäre allerdings das Leben nicht zu ertragen.