petting des ich


(ein investigativer rückblick)

wer etwas zu sagen hat, muss es in einer überinformierten Gesellschaft wiederholt laut sagen. ob er auf Verständnis stösst, bleibt dennoch offen. ein vor dem Bahnhof Friedrichstrasse gegen die CIA sowie das FBI seit Monaten Verschwörungstheorien herausschreiender Mann hat, so ihn der Passant nicht ernst nehmen kann, keine Chance. seine Vorwürfe würde man in einem Thriller akzeptieren, auf einer Flaniermeile sind sie als psychotisch einzuordnen. die dezenter in unmittelbarer Nachbarschaft auftretenden Sammler eines Volksbegehrens bekommen eher Beachtung. es geht ihnen um das eines jeden eigene Geld, welches ein privater Wasserversorger mit überhöhten Preisen einstreicht. der angesprochene Passant versteht sofort, dass er betroffen ist und sich mit einer Unterschrift engagieren sollte. die kostenlos angebotene journalistische Wahrheit einer Wochenzeitung muss mühseliger überreden, obgleich sie alles im grossen ausführlich erklärt und mit Fakten belegt. nur ein Probe-Abo kann, das weiss jeder, bei Unkündbarkeit teuer werden.
der Qualitätsjournalismus in den Gazetten leidet darunter, dass ihn zu wenige haben wollen und äusserst selten abonnieren. es wird zwar ausgiebiger gelesen als je zuvor, doch meist die quer online zu empfangende Botschaften in digitalen Netzen. wer irgendwo angemeldet ist, darf zugleich Sender sein und von unterwegs selber Neuigkeiten posten, das heisst das überall Vermehrte autorisiert oder anonym mit eigenen Sentenzen mitvermehren. je zahlreicher Menschen sich daran beteiligen, umso ausführlich relativer wird das zu Lesende. in der digitalen Mediengesellschaft ist die zu bewältigende Kommunikation eine banale Freiheit geworden, die im massenhaften Austausch kakophonisch auf die Pauke haut. unabhängig vom Bildungsstand kann man endlos eine Afterweissheit von sich geben und sie bei gehöriger Zustimmung als eine originelle Lebensart beanspruchen.
jene Demokratisierung der gemeinen Meinungsbildung nennt sich eine Schwarm-Intelligenz. tatsächlich handelt es sich um ein eloquentes Herdenverhalten. der kleinste gemeinsame Nenner räsoniert ohne dezidiertes Abwägen, was viele für interessant halten. man sollte solche aufschäumenden Blasen, mit denen Mitteilungen trivialer werden, besser ignorieren. haben zu viele tagtäglich etwas zu sagen, bekommen Unterschiede des Fürwahrhaltens kurzweilig eine Aufmerksamkeit oder ein wenig länger in der Übertreibung. dies gilt ebenso für drastische Katastrophenmeldungen, die in einer hochtechnisierten Welt zahlreicher als aktuelle Nachrichten zu verkünden sind, und immer weniger beeindrucken.