mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

seine Zahnärztin ist auf eine ästhetische Behandlung spezialisiert. ein gerahmtes Diplom weist sie in ihrer Praxis darin als Kapazität aus, und darüber hinaus wird für schmerzhafte Behandlungen eine Anästhesie als Pendant, wohl in Unkenntnis des Altgriechischen, angeboten. glücklicherweise muss er den Dentistenstuhl nur jährlich aufsuchen, damit nach einer Reinigung seiner Beisser geprüft wird, ob etwas zu bohren oder kronen sei. seit einigen Jahren nicht mehr, da er sie täglich ausführlichst reinigt und Zuckerhaltiges verzichtet. gleichwohl wird er darauf hingewiesen, die prophylaktische Reinigung, deren Kosten kontinuierlich steigen, in kürzeren Abständen zu terminieren. einen Rabatt bietet man ihm nicht an, nur bei Minderjährigen übernehmen die Krankenkassen die Kosten. sogar für eine coole Zahnspange, damit das Gebiss später kein obligatorisches Lächeln entstellt.
in seiner Teeniezeit gab es nichts zu lachen, nur gesellige Albernheiten abwegig zu belächeln. den Mut zu einer monströsen Spange hatten wenige, die meisten liessen die Zähne einfach wachsen. auch er hat sich damit abgefunden. es war eine existenzialistische Zeit, für die man sich in der Lieblingsfarbe schwarz kleidete und den Mund für ein defätistisches Grinsen weit öffnete. nunmehr exhibitionieren junge Jahrgänge mit strahlendem Gebiss eine traurige Befindlichkeit und nehmen sich dabei ziemlich ernst. es ist eine schamlose Aufwallung voll einsamer Peinlichkeit, die als enttäuschtes Bewusstsein einen Seelenhaushalt trotzig vorträgt. in einer hoffnungslos entromantisierten Welt meinen Pubertierende allen Grund dafür zu haben. der Welt des Scheins, der in den digitalen Röhren das Imaginäre auf Hochglanz poliert, soll für die tägliche online-Konversation mit Selfies eine Empfindsamkeit entgegengesetzt werden.
darauf muss niemand eifersüchtig sein und ab einem gewisses Alter blickt der nüchterne Verstand sowieso nicht mit Neid auf die Jüngeren. wollen sie Künstler werden, kann man sie bei dem derzeitigen Überangebot an ästhetischen Artefakten nur bedauern. aus vielen Richtungen strömen kreative Talente herbei und setzen zu Überholmanövern an. sie glänzen mit angesagten Ausstellungen oder gut besuchten Lesungen, wo sie im Gewimmel der üblichen Bekannten ihre Partys feiern. in solchen Termitenhaufen tummeln sich fleissige Streber, um mit viel Brimborium ihre Eier abzulegen. dass es fruchtlose Versuche sind, entmutigt keinesfalls. je jünger, desto naiver ist die Hoffnung auf potentielle Aufstiege, die es im Kunstmarkt wohl deshalb bevorzugt für junge Eleven gibt.