mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

zwanzig Liegestütze und Klimmzüge waren in seiner Jugendzeit der Beweis für ein vitales Vermögen. dafür musste der Körper kein Muskelpaket sein. ganz im Gegenteil, Leichtgewichte hatten es mit weniger Last einfacher. doch weil es eine Mode wurde, legte sich mancher Mann pompöse Muskelpakete zu. das war ein seltsamer und gern belächelter Narzissmus, der als Bodybuilding prompt seine Vorbilder und auch bei Frauen Nachahmer fand. um wie Schwarzenegger auszuschauen, wurden Bizeps, Trizeps und Quadrizeps bis zum körperlichen Zusammenbruch aufgebläht. offiziell nannte sich das Kulturistik oder einfach Kraftsport, wenn sich in Wettkämpfen die Besten beim Bankdrücken und Tiefkniebeugen massen. die Profis kamen wie überall im DDR-Sport nicht ohne verbotene Substanzen aus und mussten sich irgendwann als aufgeblähte Ballons mit Potenz- und Herzproblemen herumschlagen. da es noch keine Fitness-Studios gab, trainierten sie zu Hause mit improvisierten Hanteln. er besass einen Expander, den er zum Ausgleich für das viele Bücherlesen spannte und es nicht übertrieb, denn ein schmächtiger Junge hatte bessere Chancen bei den Mädchen. die Bodybuilder nur bei den ihren oder sie waren schwul.
als es möglich und üblich wurde, hat er Fitness-Studios wie Sprachkurse eine Weile in Schnupperkursen besucht. er wollte Bewegungsdefizite ausgleichen und seine Neugierde befriedigen. nur war die Musik kombiniert mit flackernden Bildschirmen eine unerträgliche Reizüberflutung. hier fühlte er sich nicht wohl und wollte nicht Teil einer vor Spiegeln posierenden Eitelkeit werden. wer viel trainiert, hat zwar aufgeblähte Muskeln, aber bewegen kann er sich damit nicht unbedingt besser. es reicht für eine Wrestling-Show, wo der Sieger vorher feststeht und schnell deutlich wird, dass es als Staffage angelegt ist, so wie bei den auf schön geschminkten Gesichtern, die man nicht wild küssen kann, ohne in Fettnäpfchen zu treten.
eine doppelt schiefe Wirbelsäule verhindert seit seiner Kindheit, dass er nicht zu intensiv Sport treibt. kein Sport darf es auch nicht sein, sonst verspannen sich die Sehnen und es quälen ihn Rückenschmerzen. während seiner Armeezeit hat man sie mit einem Lichtkasten wegtherapieren wollen. der Schmerzkandidat bekam in der Krankenstation ein schweres Gehäuse mit heiss darin gleissenden Glühlampen über den Körper geschoben und musste eine halbe Stunde darunter schmoren. wer es nicht aushielt, hatte auf einmal keine Beschwerden mehr. er nicht, weil er keine Wache schieben wollte. er bestand auf seine simulierten Rückenschmerzen, stellte sie sich ernsthaft vor und bekam nachhaltig wirklich welche. nun mag er sie nicht mehr, oder bei drögen Jobangeboten (was man alles über sich verrät, wenn man alles aufschreibt) lediglich auf Bestellung.