mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

Polyester, PVC und Sprelacart machten in seiner Teenie-Zeit den grauen Alltag hipp schicker. als bunte Künstlichkeit wurde der Fortschritt sichtbar und auch gern als knisternde Plastiktüte getragen. mit den wohlduftenden Westpaketen kamen sie als Symbol des modernen Lebens in die DDR und verströmten das Aroma einer paradiesischen Welt. man füllte sie und nicht den ledernen Ranzen mit Schulbüchern, bis sich die gerissenen Stellen mit Klebeband nicht weiter flicken liessen. die Lehrer geisselten jene Tüten wegen der aufgedruckten Werbung, welche die Marlboro-Zigarette oder Levis-Jeans in glänzenden Farben anpries. so etwas wurde als kapitalistische Propaganda verteufelt und war für die Pä,dagogen eine persönliche Provokation, da sie als notorische Raucher gern selber solche Import-Marken pafften und lieber eine richtige Jeans anstatt der popligen ostdeutschen getragen hätten. man ignorierte ihre halbseidene Kritik und stellte eine Mehrheit dar, die sich durchsetzte. dagegen kamen selbst temporäre Verbote des Direktors nicht an. nur hielten die Plastetüten nie lange und mussten bis zum nächsten Westpaket durch einen unmodischen Stoffbeutel ersetzt werden.
inzwischen stapeln sich bei ihm unzählige Einkaufstüten von billigen Discountern unter der Spüle und landen irgendwann in der globalen Natur. früher oder später kommen sie vielleicht mit dem Fisch wieder auf den Tisch. da er nicht jede Woche einen verklebten Eimer auswischen will, kann nicht auf sie verzichtet werden. der Fortschritt ist kein grellbuntes Prestigeprojekt mehr, er ist eine Müllhalde geworden, die vor den Weltmeeren nicht halt macht. es werden deswegen Tüten aus Papier beworben oder Rucksäcke, die Schüler anstelle eines Ranzens wählen. doch weniger aus Umweltbewusstsein, sondern da sie cool aussehen. es muss freilich auf ihnen Puma oder Nike stehen.
er möchte gar nicht mehr cool sein und bevorzuge mittlerweile die einst verhassten Stoffbeutel, welche mehr Belast aushalten, der bei ihm neben den nötigen Viktualien immer ein, zwei Bierflaschen sind. die PET-Flaschen haben weniger Gewicht, schmecken aber nach Verkünstelung. bald wird er sich daran gewöhnt haben wie an schon so viele Dissoziationen. Lebensstile füllen kein Leben mehr, sie flimmern als stets neu zu erlernende Kulturtechniken über die Bildschirme. die Flut der sich wechselnden Moden spült vieles aus und kaum dass sie sich ausformuliert haben, gelten Gesinnungen als unzeitgemäss verworfen. es sind Klone, die im Medienbetrieb den Ton angeben angeben. sie leben exemplarisch als Influencer in einer schicken hippen Welt, in der Ansprüche auf ein besseres Leben zu dem zurückgestampft werden, was sie bereits sind: ein künstlich aufgeblasenes Nichts.