mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

die lesende Jugend bekennt sich wieder zu romantischen Gefühlen. sie will nicht mehr cool, sondern empfindsam sein. mit poetischen Bekenntnissen wird in der Lyrik das innig Menschelnde gesucht, das inmitten von digitalen Relativierungen als harte Währung gilt. tatsächlich ist es der gereimte Exhibitionismus einer stereotypen Traurigkeit und als Befindlichkeit inflationär konzediert. dem in sozialen Medien auf Hochglanz aufpolierten Schein wird mit üppigen Adjektiven und gereimten Klischees eine Trübsal entgegengeblasen, die egozentrisch um Empathie buhlt.
in seiner Sturm-und-Drang-Zeit wurde ein Ich distanzierter gehalten. dem Subjektiven misstraute sein Jahrgang, um einer gesellschaftlichen Anrufung nicht hörig zu werden. bei monatlichen Fahnenappellen und persönlichen Aussprachen sollte er sich einem offiziell Politischen unterordnen, auf dass sich ein Denken und Fühlen konform konditionierte. dies wurde natürlich erfolgreich abgelehnt. die Wiedervereinigung hat wenig daran geändert. überall und sogar in der Kunst war man nun lieber Teil einer subversiven Bewegung, ein fluktuierendes, nicht fixierbares Ich. nachdem das Internet als digitale Gegenöffentlichkeit beim anonymen Ausprobieren von Lebensstilen faszinierende Experimente versprach, wurde inmitten von multiplen Persönlichkeiten dissoziativ agiert. das originär Kreative konnte sich in einem kollektiven Streben unverblümter entfalten, sich mit synergetischen Effekten multiplizieren und mehr auf die vorgezeigten Arbeiten als auf die Autorität von Namen die Aufmerksamkeit lenken.
bei den heutigen jungen Jahrgängen ist es anders. Studien nennen sie die Generation X, Y, oder Z wegen ihrer variablen Lebenseinstellung und werfen ihnen vor, dass sie zu unpolitisch und harmoniebedürftig seien. Zuschreibungen erzeugen per se eine narzisstische Affirmation, mithin vielzitierte Prognosen den Effekt haben, dass sie bestätigt werden. bei Börsentipps funktioniert es und ebenso bei feuilletonistischen Lobgesängen. seiner Generation hat man vorgeworfen, für bereits erreichten Errungenschaften undankbar zu sein. also war man es und übertrieb eine Unzufriedenheit rebellisch. aktuell identifizieren sich Teenager mit einer unschuldigen Infantilität und geniessen die Vorteile, welche sich daraus ergeben. daran wird sich erst etwas ändern, wenn bei fehlenden Aufstiegschancen ein kritisches Nachdenken einsetzt. dann werden vielleicht wieder Universitäten besetzt und hemmungslos mit der Kunst intervenierende Strategien erprobt. Druck setzt mitunter verborgene Kräfte und ungewöhnliche Qualitäten frei. leider auch neue Formen der Anpassung. bei der gerade in seiner Faust zermanschten Schmeissfliege ist es, nachdem sie ihn lange genervt hat, ein grün-gelber Saft.