mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

was eingeschaltet wurde, ist irgendwann wieder auszuschalten. dies ist zuvörderst beim häuslichen Licht und Plasmabildschirm wichtig, damit die Stromrechnung bei steigenden Energiekosten bezahlbar bleibt. der Computer wechselt bei Schreibblockaden automatisch in den Sparmodus, auch wenn der Kopf weiter grübelt. sogar im Schlaf brütet er über unlösbare Probleme und im Alter umso intensiver. die Augenfalten werden unübersehbar am Morgen, wenn er unausgeschlafen in ein arg zerknautschtes Spiegel-Konterfei starrt. sein Leben ist nach einer extensiven Energieverschwendung in zurückliegenden Jahren auch bei weniger Produktivität erschöpft und keine beschwingte Verausgabung mehr. das trübt den Frohsinn ungemein.
für eine gute Laune haben Leute in seinem Alter wohl deshalb eine gelb oder grün eingefärbte Sonnenbrille, welche ihr Umfeld in ein warmes Licht taucht. er mag lieber die gräulich abgedunkelten, mit denen ein trüber Wolkenhimmel noch trüber erscheint. das schirmt ab und schont bei plötzlichem Sonnenschein die Netzhaut, die täglich viel Lesen und Bildschirm-Gucken muss. ein klarer Tag soll nicht zu strahlend das Gemüt anmuten. er erwartet die Desillusionierung, er fürchtet sie nicht und kann nicht ohne sie auskommen. da die kleinen und grossen Lebenskrisen wichtige Erfahrungen sind, ist es enttäuschender, nicht enttäuscht zu werden. junge Menschen versuchen sich mit synthetischen Aufputschmitteln bei Laune zu halten und leben etwas verstrahlt in den Tag hinein. ein derartig gern stimulierter Junggeselle in seinem Hinterhaus muss irgendwann die falschen Pillen erwischt haben und zerschlug in einer Nacht seine Wohnungseinrichtung. dabei ging auch der Spülkasten der Toilette zu Bruch und überflutete sein Bad sowie das der darunterliegenden Mieter. die Polizei brachte ihn nach langem Überreden in eine Klinik zum Entzug. von dort floh er mehrfach und wurde immer wieder mit viel Lärmen zurückgeschickt. ein paar Wochen später war es ihm peinlich und seine körperliche Orientierung merklich angeknackst.
man braucht eigentlich keine teuren Drogen, um einem trüben Alltag zu entfliehen. sie sollten nur Freaks erlaubt sein, die sie wie der Arbeitsjunkie Fassbinder für eine anhaltende Film-Produktivität beanspruchen. für die niessbrauchenden Partygänger müsste es ausreichen, gelegentlich zu schaukeln. im Kopf liegen genügend Endorphine vor, an denen sich jeder berauschen kann. es sind Morphine, welche der Körper selbst produziert und die ohne schädliche Nachwirkungen die Seele euphorisieren. wer viel Schwung holt, setzt sie beim Pendeln gegen die Schwerkraft frei. bei entsprechender Höhe melden sich die Schmetterlinge im Bauch und der Kopf wird durchgepustet. eine Schaukel lässt sich fast überall finden, da in Nachwendezeiten Grundstücksbrachen grosszügig zu Spielplätzen ausgebaut wurden. sie sind mit ihren wuchernden Sträuchern auch abschirmende Areale, wo in späten Abendstunden Dealer ungestört ihre Kundschaft treffen können.