mikado als symptom
wer wie er unentwegt am Computer arbeitet, muss sich bisweilen mit gymnastischen Übungen entspannen, also zeitweise durch die Wohnung grätschen und die Glieder strecken. oder an der frischen Luft Tischtennis spielen. das entkrampft die Rücken- sowie Nackenmuskulatur ungemein und verbessert die Konzentration. die jungen Mitarbeiter einer Werbeagentur vom Nachbarhaus praktizieren es in ihrer Mittagspause sogar in den Wintermonaten. wenn sie den Ball schmettern und mit viel Geschrei triumphieren, können sie zudem ihre Aggressionen abbauen. bei ihrer Arbeit dürfen sie sich bestimmt nur nette Sachen ausdenken. ohne ein Ventil wäre es frustrierend.
bei ihm sorgt das Tischtennisspielen eher für Frust. in Ferienlagern erlernte er es leidlich, weil immer irgendwo eine Platte mit einem gespannten Netz herumstand und es die obligatorische Freizeitgestaltung war. wer die Geselligkeit an programmlosen Tagen suchte, kickte in der Gruppe chinesisch und flog, falls er unbedarft agierte, früh raus. das richtige Tennis erprobierte er Jahre später in einem Schweriner Internat und stellte fest, dass er dafür mehr Talent besass. eine Klassenkameradin lieh ihm ihren teuren Schläger, den er leider gerissen zurückgeben musste, nachdem in seinem Zimmer ihn irgendwer zu hart malträtiert hatte und es nicht zugab. somit war er der Schuldige und bekam ihn nicht weiterhin zum Üben. das war schade, denn als er den Aufschlag ausprobierte, hat er sich fast wie Boris Becker gefühlt.
das Tennisspiel entdeckte er erst wieder, als es eine DDR-Konsole mit einem importierten Schaltkreis meditativ auf den Fernsehschirm brachte. er durfte das Spiel, wenn kein interessanter Film lief, bei einem Freund ausprobieren. im Gegensatz zum telegenen Fussball hat sich der Tischtennissport nie als massenmediale Disziplin profiliert. man verbindet eher damit eine Freizeitbeschäftigung, obwohl es eine Weltmeisterschaft und richtige Stars mit viel Virtosität zu zeigen gäbe. in Berlin, wo in Parks viele Platten mit einem Metallnetz bereitstehen, ist es ein beliebter Ausgleich für Kreative, welche in der IT-Branche ihr Geld verdienen. sie könnten sich mal zu einer Kampagne entschliessen, um dem populären Profi-Fussballern eine Alternative anzubieten. dann würden sie nach Feierabend beim Zuschauen auch die Augenmuskeln ein wenig trainieren. bei ihm hat das tägliche auf den Bildschirm-Starren beim Programmieren einen Auffahrunfall ausgelöst. seine Augenmuskeln waren erschlafft und konnten hinter dem Steuer nicht rechtzeitig reagieren. seitdem lässt er die Pupillen nicht zu lange auf die gleiche Entfernung starren. in der Bibliothek liest er nicht nur das Gedruckte, sondern beobachtet ebenso die Menschen um sich herum. egal ob es sich lohnt oder nicht.