überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

das strahlend aufleuchtende Rot einer Ampel ist ein strenges Gebot. so habe ich es im Kindergarten für die eigene Disziplinierung gelernt, und Jahre später als Peripatetiker und ungeduldiger Radfahrer eigensinnig ignoriert. dafür musste ich bei eifrigen Polizisten einige Strafen zahlen und hätte sogar für eine offenbarte Fahrerlaubnis Strafpunkte bekommen. ist die Kreuzung frei, sollte man sie, wie in vielen Ländern üblich, passieren dürfen. als Vater bin ich meinen aufwachsenden Söhnen hingegen ein Vorbild und akzeptiere die Ampel als Autorität, selbst wo kein Auto sich nähert. Kinder können es schlecht beurteilen und die Gefahr, dass Raser auf sie keine Rücksicht nehmen, ist hoch. deshalb darf es auch keine Zebrastreifen mehr geben, auf denen Fussgänger ohne Warten die Strasse überqueren. hierzulande gilt ein eingespieltes Regelwerk. wer Vorfahrt hat, hat in seinem Auto Vorfahrt und fährt umso rücksichtsloser. die Autorisierten müssen sich als genervte Ordnungsfanatiker im Verkehr behaupten. wie Blockwarte monieren sie Fahrradfahrer, die in der Mitte der Spuren fahren oder als Gruppe eine Kreuzung kurzweilig blockieren. ist man jedoch freundlich zu ihnen, passiert einem nichts. dann sind sie baff und in ihrer Hilflosigkeit wieder nett. für ihre Aggression brauchen sie ein konträres Gegenüber.
bei einem Auffahrunfall in Dresden vor sechzehn Jahren hat mich mein Gemüt, das auch in Stress-Situationen charmant gesinnt bleiben kann, vor einem unangenehmen Gerichtstermin bewahrt. ich war mit meinem alten Skoda in einen funkelnagelneuen Audi gerast, der dadurch eine Delle im Kofferraum bekam. mein Auto war vorn so zerknautscht, dass die herbeigerufene Polizei einen Totalschaden protokollierte. es kam zu diesem Zusammenprall, weil kurz hinter einer Kreuzung der Audi-Fahrer eine Parklücke entdeckt hatte und vor mir jäh bremste. dazu war ich nicht in der Lage. obwohl ich wegen dem egoistischen Fahrer einen Termin verpasste, entschuldigte ich mich sogleich, wohlwissend, dass stets der Auffahrende die Schuld trägt. ich war zu einer Beratung eingeladen, bei der die weitere Ausgestaltung eines Medienfestivals diskutiert wurde. derweil es mit dem Abschleppen dauerte, kamen meine Anmerkungen, die ziemlich kritische zur digitalen Medienkunst sein sollten, nicht zum Zuge.
so ich mich reumütig gegenüber allen Beteiligten zeigte, und besonders bei einer leicht geschockten Beisitzerin, wurde eine Anzeige wegen Körperverletzung zurückgezogen. leider hat die eigene billige Versicherung mein Auto nicht ersetzt. ich musste mir ein neues, wieder einen alten Skoda vom eigenen Geld kaufen. danach war ich pleite, aber straffrei geblieben. nur nutzt es mir nichts, solange niemand mein polizeiliches Führungszeugnis einfordert, um mir eine gut verbeamtete Stelle zu gönnen. ich könnte aufgrund meiner Gewissen- und Gerissenheit manches Gremium beraten und zum Beispiel vor aussichtslosen Grossbaustellen und sinnlosen Blockbuster-Ausstellungen warnen.