überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

für nahezu alles gibt es Nobelpreise. sogar die Esoterikwissenschaft Ökonomie bekommt jährlich einen verliehen. in der bildenden Kunst erzielt man mit viel Brimborium erst auf Auktionen Höchstpreise. für die massgebliche Bewertung von ästhetischen Leistungen ist hier der Markt zuständig. die Superreichen bestimmen mit ihren Spekulationen, was einen internationalen Rang hat, und Ausstellungsmacher haben sich daran zu orientieren. sie dürfen den Marktwert mit Leistungs-Schauen bestätigen und dementsprechend Geltung verifizieren, auf dass für Sammler Erlöse weiter in die Höhe schnellen. wegen der Finanzkrise werden prestigeträchtige Bilder als sichere Geldanlage benötigt. die Zeiten, als tonangebend der Bildungsbürger Kunst sammelte, sind vorbei. derzeit ersteigern für über 100 Millionen Dollar anonym junge Milliardäre und Geldwäscher aus China, Russland oder arabischen Emiraten sogar populäre Gegenwartskunst. sie muss lediglich kunstwissenschaftlich abgesegnet und medial bekannt sein.
ich habe mit dem Verkaufen immer gerade so meine Unkosten finanzieren können, und nur weil sie bei mir niedrig liegen. mein Arbeiten ist ein Nullsummenspiel und damit es bei einer sinkenden Nachfrage so bleibt, halte ich die Lebenskosten auf minimal. wer sich als Konzeptkünstler erfolgreich behaupten will, braucht ein peppiges Geschäftsmodell. er muss sein Werkeln für einen entsprechenden Markt konzipieren, viel in das Material und die Werbung investieren. damit kann ich mich nicht anfreunden, da ich es nicht vermag. denn nicht mit meinem Arbeiten, mit meinem asketischen Lebensstil bin ich ein beispielgebender Avantgardist. überall spare ich die Kosten und besonders beim umweltschädlichen Strom und Gas, sogar wenn es im Winter bitter kalt ist. ich besitze kein Auto mehr, ich fahre nur Fahrrad. die zu tragende Kleidung ist billig, doch gut gewählt und nachhaltig tragbar. sie wird nicht in Discountern eingekauft, sondern beim Schlussverkauf in gediegenen Kaufhäusern.
Reichtum lähmt und verpflichtet zu einem anstrengen Geniessen, das sich als eine gespreizte Distinktion zu mimen hat. es müssen schicke Klamotten richtig getragen, üppig ausgestattete Appartements verwaltet und bei einem noblen Auto Diebstähle und in Berlin sogar Brandanschläge befürchtet werden. auf die Dauer ist dies bestimmt ziemlich anstrengend. seitdem man Steuersünder an den Pranger stellt, bangt mancher Reiche auch, dass ihn in der Öffentlichkeit für zu reich und deshalb für einen Gauner hält. so jemand möchte dann überhaupt nicht als vermögend erkannt werden und zieht um seine Welt, wie seinerzeit die Aldi-Familie um ihr Anwesen, einen hohen Zaun. wem es nicht vergönnt ist, mit wenig Geld auszukommen, versucht seinen Luxus zu verstecken oder mit einer selbst auferlegten Askese zu kompensieren. er kauft sich teure Designer-Möbel im Stil des Minimalismus und trägt trashigen Boutiquenchic.