überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

politisch verbändeln wollte er sich in seinem Leben nie. er musste es lediglich unfreiwillig in einem Verband der Jugend, der sich FDJ nannte. auszutreten wäre möglich gewesen, hätte aber an seiner Schule zu einem Rausschmiss geführt. also wurde stattdessen stellvertretend der Deutsch-Sowjetischen-Freundschaft die Mitgliedschaft aufgekündigt und mit dem Hinweis begründet, dass man nur auf dem Papier Mitglied war und gar nicht aktiv mitwirken könnte. dagegen gab es kaum Argumente, da es sich wirklich um einen Pseudo-Verein handelte. kompliziert war es dennoch, hier eine Mitgliedschaft zu annulieren. drei Aussprachen musste er überstehen, eine erste mit dem Klassenlehrer, dann eine mit dem Kassierer und am Schluss mit dem ersten Vorsitzenden an der Schule.
nach dem Abitur war er nirgendwo richtig Mitglied und als freier Künstler gehört er bis heute keinem Kollegenverband an, wurde allerdings mal dazu von einer Bildhauerin überredet, mit der er ein Projekt zum Geldverdienen konzipierte. der grösste Künstlerverband Europas, der bbk berlin, hatte ein Programm für ein breiteres Kunstangebot in Schulen ausgeschrieben und die dort Angestellten signalisierten den Bewerbern, dass Verbandsmitglieder den Vorzug bekämen. er wollte es ausprobieren und bewarb sich mit seiner Vita. und oh Schreck, eine Aufnahmekommission lud ihn umgehend zu einem Vorstellungsgespräch ein, bei dem er seine Arbeiten für eine Begutachtung vorzeigen sollte. er schickte stattdessen eine Dokumentation auf einer CD und erklärte, dass er wegen zu stemmender Projekte unabkömmlich sei. die digitale Präsentation wurde umgehend zurückgewiesen und so kündigte er seinen Aufnahmeantrag. dennoch erhielt er einen Monat später, als der Verband und das Projekt schon vergessen waren, per Post eine Ablehnung, in der ihm unverschämter Weise erklärt wurde, dass er kein künstlerisches Werk vorzuweisen habe. als fleissiger Mensch hat er es freilich bereits auf manchen Ausstellungen und sogar bei der Biennale in Sao Paulo der Öffentlichkeit präsentiert. der Verband befürchtete bestimmt, dass ich wegen ermangelnder Grossformate zu wenig Einkommen erziele und einen geringen Mitgliedsbeitrag überweisen würde. solches sollte man sich nicht gefallen lassen. er liess es aber und verschickte keine saftige Replik. seine Bewerbung hatte er ja vor der Ablehnung zurückgezogen und somit diesem Verband eine Absage erteilt.
er hat sich seitdem nie wieder derart naiv beworben und Ausschreibungen, auch wenn sie dem eigenen Gusto entsprachen, einfach ignoriert. man muss den Spiess umdrehen und selber absagen, bevor es einem mit scheinheiligem Bedauern, einem abgründigen Grunzen als eine Anhäufung von Zumutungen passiert. allgemeine Anfragen zu Ausstellungen beantwortete er inzwischen verspätet, wohlwissend, dass sich Ersatz für ihn finden wird. dem hat noch nie jemand widersprochen. wie Duchamp kann man ein Schweigen in der Kunst nicht mehr als eine eigenwillige Leerstelle, als die Anwesenheit einer Abwesenheit behaupten.