überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

selber Auto bin ich nie gern gefahren, ich musste es jedoch mit einigen Gebrauchten. hier war ständig was zu reparieren und der TÜV eine gefürchtete Prüfung. mit einem alten Wartburg, bei dem im kalten Winter der Vergaser nach fünf Minuten einfror und in leichter Hanglage den Motor abwürgte, habe ich alle zwei Jahre mit etwas Glück die Plakette bekommen. sie schützte mich freilich nicht vor misslichen Ausfällen. nach einer bestandenen Kontrolle blockierte einmal die Bremsanlage auf einer Autobahn, so dass ich sie und alle Reifen für viel Geld in einer Werkstatt erneuern musste. es hätte schlimmer ausgehen können und war nicht Warnung genug. ich investierte weiter in Reparaturen, um mit diesem Wagen sogar nach Wien, Kopenhagen und Florenz zu reisen.
viele Jahre hat es ungeachtet mancher Macken immer so geklappt, und auch später mit einem gebrauchten Skoda. erst als nach einem Auffahrunfall in Dresden wegen einer schlechten Versicherung der eigene Totalschaden meine Ersparnisse auffrass, stellte ich mich auf Alternativen ein. in Berlin, wo ständig ein Parkplatz zu suchen ist und im Stau das Fahren zur Qual wird, verzichtete ich auf die autorisierte Mobilität irgendwann gänzlich. der Skoda wurde für einen symbolischen Preis verschenkt und ich verkehre seitdem wieder viel mit dem Fahrrad oder lasse mich kutschieren, wenn urbane Reichweiten unabhängig von der Bahn obligatorisch sind.
lange habe ich mich vor einer Fahrschule gedrückt, sogar als der Führerschein im Journalistenberuf für mich unabdingbar wurde. in der Redaktion hatten wir einen selbst zu steuernden Trabant als Dienstwagen, aber ich bin lieber mit dem Bus oder dem Zug gereist. erst nach der Wiedervereinigung konnte ich meine Fahr-Abstinenz nicht aufrechterhalten. viele Linien wurden eingestellt und ich musste nun selber fahren, um freiberuflich täglichen Berichte zu recherchieren. bald gab ich den Journalismus auf und versuchte im Kulturbetrieb wiederum Auswärtsterminen auszuweichen. es wurde selten Eigenes ausgestellt, und öffentlich gelesen wegen dem unangenehmen Übernachten in Pensionen sowieso nicht. für die jährliche Steuererklärung war ein Autoverzicht leider ein Nachteil. ich konnte die täglich zurückgelegten Kilometer nicht beim Finanzamt abrechnen. Wege, die zufuss oder mit dem Fahrrad absolviert werden, sind schwerlich nachzuweisen und damit als Ausgabe nicht absetzbar.
als Kind träumte ich nicht wie andere davon, in einem Geschwindigkeitsrausch mit einem Rennwagen auf einer Formel 1-Piste zu düsen. mich haben keine PS- und Motordrehzahlen fasziniert und keine Poster mit den schnellsten Sportwagen, ich wollte einen Traktor fahren, wo beim Hoch- und Runterschalten Zwischengas zu geben ist. hoch erhoben wie auf einem Ross sollte mich ein Allradantrieb durch weite Landschaften rollen, mir keine Strasse eine Richtung vorschreiben und niemand auf mich herabblicken. jene Freiheit ist mir bisher nicht vergönnt gewesen und wird wohl eine infantile Phantasie bleiben.