überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

das Leben auf diesem Planeten wird unheimlicher und perfekter gesichert. seit dem Terroranschlag auf die Twin Towers in New York warnen Innenminister immer häufiger vor latenten Bedrohungen. Polizeiwagen parken in Ballungszonen, Wachleute patrouillieren durch Einkaufszentren und bewaffnete Grenzschützer kontrollieren verstärkt Bahnhöfe. heikel wird es, falls irgendwo ein herrenloser Koffer entdeckt und man das Umfeld absperrt. wer mit dem Flugzeug verreist, muss sich mindestens eineinhalb Stunden vor dem Start im Airport einfinden, damit das Gepäck Scanner peinlichst durchleuchten und Leibliches für die Security nackt auf einem Bildschirm zeigen. wurde jene Examinierung überstanden, geht es über eine Gangway in die Maschine.
vor ein paar Jahren konnte er beim Einsteigen einen Blick in die Pilotenkabine werfen und sein mitreisender Sohn durfte nach dem Start dort auf dem dritten Platz sich alles erklären lassen. darum hat er ihn beneidet. nun ist die Tür zum Cockpit für Reisende tabu. sie kann von innen so verriegelt werden, dass kein Terrorist mit Gewalt und nicht einmal eine Plastik-Bombe sie öffnet. eine solche Verriegelung wurde jetzt einer Reisegruppe zum Verhängnis, weil der Co-Pilot ein Amokläufer war. nachdem er den Captain aussperrte, versetzte er die Maschine in einen beschleunigten Sinkflug und liess sie an den französischen Alpen zerschellen. die Sicherheitsexperten haben alles bedacht, um Entführungen sowie Attentate zu verhindern. einen psychotischen Piloten mit Suizid-Absichten hatten sie nicht berücksichtigt.
seit Jahren führt eine hysterische Angst vor Terroristen dazu, dass alles stärker überwacht wird. jeder kann verdächtig sein und es sind fast überall Kameras oder Trojaner installiert. man lernt es, mit einer anhaltenden Unsicherheit zu leben, und fühlt sich bedrohter denn je. im Wirtschaftsleben und besonders bei Börsengeschäften werden weitreichende Risiken als selbstverständlich angesehen. ebenso im Strassenverkehr, wo die Gefahren für Leib und Leben viel höher liegen. doch Sicherheitsexperten wollen, obwohl sie das soziale Klima vergiftet, bei der Medienkommunikation eine breite Überwachung als alternativlose Sicherheit. ihre Empfehlungen zeigen bereits Folgen beim täglichen Räsonieren. entweder sind beim Smalltalken alle harmlos freundlich oder aggressiv direkt, wenn angespannt nach einem Blitzableiter für Verstimmungen gesucht wird.
die Verwegenen entspannen sich beim Bungee-Springen. früher war es das S-Bahn-Surfen, wo ganz Mutige bei offener Tür den Körper weit nach Aussen streckten und viel riskierten. mittlerweile lässt sich in den Zügen nichts mehr manuell öffnen. wer für seinen Kopf einen scharfen Gegenwind braucht, muss mit dem Motorrad oder einem Cabrio fahren. als Kind überredete sich mit Spielkameraden zu einer Mutprobe, bei der man in die Einflugschneise beim heimischen Militär-Flughafen ausharrten. der tösende Druck unter einer landenden MiG war enorm und kaum auszuhalten. da es die Piloten irritierte, wurde der Bereich bald abgesperrt. erst während eines Manövers kam er als Soldat bei einem Sturzflug-Angriff wieder in diesen Donner-Genuss und es war berauschend bedrohlich.