überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

gegen Denk- und Schreiblockaden war er lange Zeit gefeit. er variierte Wörter so lange, bis sie einen akzeptablen Sinn abwarfen. mitunter wurden auch, um zu neuen Gedanken zu kommen, die Silben vertauscht. einmal kam dabei eine kleine feine Sprechoper zustande, die einzig aus dem Wort Brückenschlag bestand. mit Permutationen wurden die Silben so kombiniert, dass sich neue Wortverbindungen wie Ken-Schlag-Brück oder Schlag-Ken-Brück ergaben, welche als Paraphrasen durch weitere Kombinationen ein mehrere Seiten umfassendes Manuskript generierten. bei dem Elaborat handelte es sich um ein Auftragswerk. ein Freund hatte an dem Grenzfluss Neisse in Forst mit Malern grossflächige Leinwände bemalt und sie über einer seit dem zweiten Weltkrieg gesprengte Brücke aufgehängt. zur feierlichen Einsegnung wurde eine extravagante Performance mit einem Text von ihm erwartet.
dafür wollte das Kulturministerium tausend Mark zahlen. es war ein leicht verdientes Geld, weil er sein Werk in zwei Tagen mit einem Computerprogramm erstellte. nur ein kleines Honorar musste für zwei Schauspieler abgezogen werden. und er fand behände welche, die den Mut aufbrachten, es professionell vorzutragen. allerdings bestanden sie auf einen Regisseur, nachdem sie den Text ausführlicher gemustert und für eine eigene Umsetzung als zu schwierig befunden hatten. sie wussten auch wen, wenn dieser für seine Arbeit ebenso ein Honorar bekäme. man wurde handelseinig, nachdem der in Frage kommende in Bezug auf das Skript erklärte, er könne selbst ein Telefonbuch inszenieren. mit jener personellen Aufstockung verblieb noch die Hälfte der zugesagten Finanzierung. damit konnte er sich abfinden. leider waren weitere Forderungen zu erfüllen. bei der ersten Probe stellte sich heraus, dass Masken vonnöten seien, die ein Bühnenbildner für 300 Mark anfertigte. der Termin der Aufführung lag in greifbarer Nähe und an ein Umdisponieren war nicht mehr zu denken. als zwei Tage vor der Performance der Regisseur noch Schilder einplante, war das Honorar völlig aufgebraucht.
als das zugesicherte Geld sich am Ende als eine Fehlplanung erwies, da lediglich 500 Mark für das performative Rahmenprogramm disponiert waren, musste er Bettel- sowie Drohbriefe schreiben, um die Requisiten nicht selber zu bezahlen. so ergeht es ihm oft. sein fleissiges Arbeiten gerät, wo es mit professionellem Beistand präsentiert wird, zu einem Nullsummenspiel. bei freien Projekten und Ausstellungen in kommunalen Galerien schöpfen den bereitstehenden Etat allweil andere ab. die Druckerei erhält für die Einladungskarten und das Plakat eine gewisse Summe, ein Musiker, der die Vernissage bespielte, wird ordentlich honoriert und der Rest geht an einen Redner, welcher die Schau weihevoll einstimmt. in der Regel muss noch der Wein-Einkauf für die Vernissage mit dem Galeristen geteilt werden. somit bleibt es, insofern selten jemand etwas kauft, bei die Ehre, sich ausstellen zu dürfen. er protegiere seit Jahren mit wenig Salär den Standortfaktor Kultur, den Mehrwert sahnen andere ab.