überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

in der bildenden Kunst wird zu viel gemalt und seit einiger Zeit wieder sehr viel mehr. die neuen Medien haben zwar kurzfristig ein digitales Laborieren mit dem Computer favorisiert, doch nachhaltig das nostalgische Bedürfnis nach gepinselten Farben herausgekitzelt. trotz vorliegender Tintendrucker für Grossformate ist das manuelle Handwerk auf dem Vormarsch. es wird nicht nur bei den Sonntagsmalern, auch bei den gut verdienenden Profis eifriger als je pastos lasiert und die Vorlagen stammen kurioserweise aus der digitalen Welt oder sind profane Fotos. solches verkauft sich in einer etablierten Galerie sehr gut. trotzdem haben es wegen einer Überproduktion die meisten Werke schwer, Abnehmer zu finden. entweder sind sie zu billig, so dass man ihnen nicht traut, oder zu teuer und niemand will sie sich leisten. sie müssen eingelagert oder erneut in einer anderen Galerie gezeigt werden. der Aufwand von Präsentationen ist nach wie vor enorm und steht in keinem Verhältnis zu den Einnahmen.
mit den Schaffensjahren häuft sich in fast jedem Atelier das Übriggebliebene an. doch was geschieht mit diesen Relikten? darüber möchte kaum jemand nachdenken und sprechen schon gar nicht. im Kollegenkreis werden Restposten an Freunde verschenkt oder einfach übermalt, so dass kein neuer Malgrund vonnöten ist. unzählige Originale, die Wohnstuben oder soziale Ämter aufwerten könnten, gehen somit verloren. bevor sie ganz verschwinden, werden sie indes dokumentiert. das Oeuvre einer Vita muss vollständig und der Werdegang nachvollziehbar bleiben. selbst die frühen Arbeiten überdauern in Katalogen oder im Internet und künden vom Fleiss eines Schaffenden. bei Malern, die nach einer fotografischen Vorlage akribisch Sujets auf Leinwände bringen, wird das Archivierte dann, so schliesst sich der Kreis, wieder zu einem Foto. jedenfalls kann man es dafür halten, falls der Titel mit den weiteren Angaben übersehen wird.
er hat das malen inzwischen aufgegeben und sich auf preiswerte c-Prints spezialisiert. er panscht nicht gern mit Farben herum. es reicht ihm, wenn er die Wände seiner Wohnung streichen muss. Farbflächen, die ausgedruckt werden, haben eine bessere Brillanz, weil sie sich nicht mit der Grundierung einer Landwand mischen, und es wird bereits bei kleinen Formaten eine höhere Detaildichte erzielt. bei seinen Kompositionen sind bis zu fünftausend Quadrate mehrschichtig und hyperdimensional miteinander verwoben. so eine Komplexität wäre mit einem Pinsel nie zu meistern. leider haben derartige Innovationen selten eine Chance auf dem Kunstmarkt. obwohl sie bahnbrechend eine fulminante Tiefe bieten, bleibt das Interesse der Sammler gering. in Galerien erzielen sie nicht die Preise von handgefertigten Öl- oder Acrylarbeiten. das mag an der geringeren Lebensdauer von Drucken liegen, oder einfach daran, dass sie keine überzeugenden Unikate, keine wirklich limitierbares Handwerk sein können.