überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

als Künstler kommt man viel herum und landet, falls man es darauf anlegt, sogar in einem Gefängnis. ihn hat es mal für drei Monate in eins verschlagen, als er nach einem Ort suchte, der die Kunst vortrefflich verbergen könne. Walter De Maria war es gelungen, eines seiner Werke, den vertikalen Erdkilometer, richtiggehend abtauchen zu lassen, so dass alle Besucher darüber staunten und manche sich bis heute fragen, ob der wirklich so lang sei. für die gebührliche Wahrnehmung der grossspurigen Schummelei sorgte die documenta mit einer kuratorischen Absegnung. ihm schwebte ähnliches vor, nur sollte es ausserhalb der offiziellen Ausstellungswelt vollbracht und nicht gemogelt sein. gut geeignet schien ihm dafür eine Justizvollzugsanstalt mit Wachtürmen und verriegelbaren Räumen. es sollte immerhin etwas installiert werden, dass es nur idealisiert geben kann und somit vor dem profanen Zugriff zu bewahren gilt. er beabsichtigte nämlich mit einer Freundin und einem Fotografen nichts geringeres, als eine fünfdimensionale Raumverwerfung zu generieren.
als er seinen Plan beim brandenburgischen Justizministerium vortrug, stiess er auf einen Beamten, der zum Ende des Jahres noch Geld ausgeben wollte, damit es in seinem Etat nicht gekürzt wurde. er versprach, wenn ihn bäldigst ein Konzept erreiche, es sofort zu genehmigen. was man konkret vorhatte, interessierte nicht sehr. für das Vorhaben wurde die Anstalt in Frankfurt an der Oder empfohlen, wo ein Direktor ein offenes Ohr für die Kultur habe. und es stimmte, den Knast in der Grenzstadt führte ein wohlgesinnter Chef und das erste Geld wurde vor Jahresende überwiesen. es mussten lediglich die Gefängnis-Insassen als eingeplante Mitakteure überzeugt werden. mit fünf ein wenig Interessierten, die zumeist Einzelgänger waren und aus Langeweile kamen, begann er zu arbeiten und allmählich wurden es mehr, da man auffiel und alles mit Kameras dokumentiertn. das Projekt hatte von ganz oben ein Staatssekretär abgesegnet. es durfte sogar, was noch niemals erlaubt wurde, von einem Wachturm aus gefilmt werden, alles jedoch ohne Gesichter, damit die Aufzeichnungen in die Öffentlichkeit niemanden stigmatisierten. das verstand natürlich keiner von den Betroffenen.
der Hyperraum wurde während eines Workshops mit fünf Langzeitstraflern und zwei Dealern in einer freistehenden Zelle aufgebaut. man färbte Hanfseile ein und pinnte sie gemäss einer Berechnung an die Decke. als es fertig war, wurde das Werk als ein unsicheres Wurmloch für einen Monat abgeschlossen. eine Ausstellung im Rathaus zeigte bloss Fotos davon. jene Dokumentation verband einen geschlossener mit einem öffentlichen Raum hyperdimensional und verkörperte virtuell das tatsächliche Kunstobjekt. den Bediensteten im Gefängnis war solches schwer vermittelbar. geduldet wurde das Projekt einzig, derweil es eine willkommene Gelegenheit bot, um vor Unvoreingenommen Dampf abzulassen. nachdem die Raumverwerfung aber Lokalreporter ausführlichst lobten, wurde die Installation von allen als höchst sinnvoll eingestuft.