petting des ich


(ein investigativer rückblick)

jeden Tag werden ein paar Seiten von Plato, Kant, Hegel oder Wittgenstein gelesen. so halte ich es seit Jahren, vernachlässige ich es, fällt der Blick auf den Alltag zu profan pragmatisch aus. eine buchstäbliche Gelahrsamkeit bleibt als Kontrastprogramm zum bodenständig Umgreifenden unabdingbar. der bildende Künstler muss sich mit der Philosophie auseinandersetzen. unterlässt er es, ist die Gefahr gross, wie ein Designer Flachware für die profane Wohnraumgestaltung zu produzieren. als anspruchsvoller Bild-Erfinder hat man darüber hinaus auch ein gewiefter Programmierer oder wenigstens ein Medienversteher zu sein und sich, um vor dem Finanzamt bestehen zu können, im trickreichen Marketing sowie der doppelten Buchhaltung auszukennen.
ist wer darin routiniert, trägt es nicht automatisch Früchte. nicht einmal existenzsichernde sind garantiert. andere behaupten sich fleissiger in eng umkämpften Revieren und sind die beharrlichen Bauern mit den dicken Kartoffeln. gelegentlich ist es mir als einem unbedarft Aussenstehenden gelungen, wo sich die Cleveren mal uneinig waren, einen Auftrag zu ergattern, jedoch allzu selten und daher gilt es, bescheiden zu bleiben. es reicht ja aus, gerade so ausgestattet zu sein, dass man weitermachen kann und dann auch muss. besser lebt es sich gegen den auf Perfektion eingestellten Zeitgeist sowieso in einem Understatement, versucht mich mein alter Ego zu trösten. und wohl zurecht, denn ohne Medienrummel gelang es, Vielversprechendes so lange auszuprobieren, bis beeindruckend Ansprechendes vorlag. als ich mit geförderten Projekten auf Hochtouren rotierte, beschied ich mich auf das Machbare und hoffte, dass darüber viel berichtet wurde, damit die nächste Förderung gesichert war. ich hatte nicht einmal die Zeit, um mich darüber zu freuen oder zu ärgern.
es liegt bereits zu viel Kunstvolles in einer kaum zu überschauenden Ausführlichkeit vor und es wird immer mehr, solange das Präsentierte in Galerien und Museen nicht harmlos genug erscheint, um einen allgemeinen Unmut auszulösen. leider kann man kaum mit überzeugenden Alternativen dagegenhalten und analog Spektakuläres vorweisen. das Provozierende löst wie das Sensibilisierende wenig aus. die Pendel schlagen höher und verbreiten eine Mittelmässigkeit oder bleiben als sozial-kritischer Rekurs ein kurzer Kitzel. was sich als Abwehr den omnipräsenten Höchstleistungen entgegensetzen lässt, ist nur noch die Genugtuung der Langsamkeit. aber sie muss eine Langsamkeit sein, wie sie Tieren eigen ist, die stundenlang in einer Schattenlandschaft ausharren, ohne auf etwas zu warten. Goethe wollte am Ende mehr Licht oder mehr nicht, und Gogol eine Leiter, um sie vermutlich wie Wittgenstein nach dem gelungenen Aufstieg wieder von sich zu stossen.